Hart am Wind und fern der Heimat

Kinderbeuern · Auf der Mosel hat er das Segeln gelernt, mittlerweile zählt Tim Lebenstedt zu den besten Nachwuchsseglern Deutschlands - obwohl er und seine Familie zum Training schon mal 1000 Kilometer reisen müssen. Ab heute startet der 15-Jährige erstmals bei der Deutschen Jugendmeisterschaft.

Kinderbeuern. Wenn Läufer trainieren wollen, ziehen sie ihre Schuhe an und starten vor der Haustür. Wenn Fußballer trainieren, gehen sie auf den Sportplatz. Wenn Tim Lebenstedt trainieren will, ist das immer mit einer weiten Reise verbunden - dorthin, wo andere Urlaub machen: am Gardasee, in Slowenien, an der Ostsee oder der Nordsee. Der 15-Jährige aus Kinderbeuern (Kreis Bernkastel-Wittlich) ist Segler, und ein äußerst erfolgreicher dazu. Seit neun Jahren sind Boote seine Leidenschaft, ab heute startet er erstmals in seiner Karriere bei der Deutschen Jugendmeisterschaft in Travemünde - als einziger Rheinland-Pfälzer in seiner Bootsklasse.
Aus dem Tor aufs Boot



Wer den Werdegang seines Vaters kennt, hätte eher auf eine fußballerische Karriere getippt. Denn Jürgen Roth-Lebenstedt ist der Rekordspieler von Eintracht Trier, war als Torwart sogar einmal Sieger beim Tor des Monats und später erfolgreicher Trainer in Koblenz, Wittlich und Trier. Vor rund zehn Jahren entdeckten Jürgen Roth-Lebenstedt und seine Monika ihre Leidenschaft fürs Segeln, machten alle nötigen Segelscheine und begeisterten so auch ihren Sohn.
Tim Lebenstedt machte seine ersten Segelerfahrungen auf der Mosel, startet noch heute für die Segelabteilung des Ruderclubs Traben-Trarbach. "Das hat noch heute Vorteile, dass ich weiß, mit den Bugwellen der Transportschiffe parat zu kommen", sagt der Gymnasiast. Aber im Gegensatz zu seiner Konkurrenz von Nord- und Ostsee musste er sich dort erst einmal mit den Windverhältnissen auf offenem Meer anfreunden.
Bis Anfang dieses Jahres startete Lebenstedt in der Bootsklasse Optimist, nun segelt er in der Olympischen Laser-Klasse, der Kategorie 4.7, jener mit der kleinsten Segelfläche. "Eigentlich hatte ich geplant, dieses Jahr viel zu trainieren und mich in der neuen Bootsklasse zurechtzufinden. Aber dann kam alles anders und ging viel schneller als gedacht", meint der Neuntklässler, der neben seinem zeitaufwendigen Sport parallel auch noch auf Kurs zum G8-Abitur ist.
Gleich bei seiner ersten Regatta in der neuen Klasse sammelte er Wertungspunkte. Und nach nur drei Regatten hatte er völlig überraschend so viele Punkte ersegelt, dass er sich erstmals für die Deutsche Jugendmeisterschaft qualifiziert hatte. Aktuell zählt Lebenstedt in seiner Klasse zu den zehn besten Unter-16-Jährigen in Deutschland, nimmt man alle Jugendklassen zusammen, ist er im Laser 4.7. unter den Top 100 - und dies, obwohl er fernab der großen Segelreviere lebt und in der Woche nicht trainieren kann.
Am Samstag geht es nun nach Travemünde. "Gott sei Dank hat die Schule mitgespielt und mich eine Woche vom Unterricht befreit", sagt der Nachwuchssegler, der sich den Feinschliff zur Deutschen Meisterschaft zuletzt bei Regatten in Kiel und auf dem Steinhuder Meer holte. "Das Training ist nicht so einfach", sagt er. Denn einen festen Trainer hat er nicht. "Wir organisieren vorher freie Trainer in den jeweiligen Revieren und trainieren dort mit vielen jungen Seglern zusammen." Das heißt aber auch, dass nichts ohne die Unterstützung der Familie geht. "Wir sind ziemlich viel unterwegs, mussten alles auf eigene Kosten anschaffen und bekommen auch sonst keine Förderung, weil Segeln hier eben eine Randsportart ist. Aber wir fiebern natürlich mit und machen das gerne für Tim", sagt Mutter Marion.
Segeln ist Muskelkraft


Nun also Travemünde. Insgesamt acht Wettfahrten stehen in einer Woche auf dem DM-Programm, Tim wird gegen Hunderte Konkurrenten antreten, alleine auf seinem Schiff. "Zuletzt hatten wir in Kiel eine siebenstündige Wettfahrt, das ist also auch körperlich ganz schön anstrengend, deswegen gehe ich jetzt auch zum Krafttraining. Segeln ist reine Muskelkraft." Und für ihn gilt bei seiner ersten Deutschen Meisterschaft das olympische Motto Dabeisein ist alles. "Ich bin froh, dass ich mich überhaupt qualifiziert habe. Ich will nicht unbedingt Letzter werden. Aber ich weiß auch, was ich kann und kann ja auch schon einige gute Ergebnisse vorweisen."

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