Jeder Daumen zählt: So nutzen deutsche Fußball-Nationalspieler die sozialen Netzwerke

Trier · Viel PR, viele Phrasen, überschaubarer Nutzen – aber für immer mehr Fans: Ein Trierer Medienwissenschaftsstudent hat in seiner Abschlussarbeit dokumentiert, wie die deutschen Fußball-Nationalspieler soziale Netzwerke nutzen.

 Fußball-Nationalspieler Mesut Özil hat über 10 Millionen Fans seiner Facebook-Seite.

Fußball-Nationalspieler Mesut Özil hat über 10 Millionen Fans seiner Facebook-Seite.

Foto: volksfreund.de
 Der Trierer Medienwissenschafts-Student Tilo Saurin hat sich in seiner Bachelor-Arbeit mit den offiziellen Social-Web-Auftritten der Nationalspieler befasst.

Der Trierer Medienwissenschafts-Student Tilo Saurin hat sich in seiner Bachelor-Arbeit mit den offiziellen Social-Web-Auftritten der Nationalspieler befasst.

Foto: Andreas Feichtner

Vor ein paar Monaten in England: Zwischen dem früheren Nationalspieler Dietmar Hamann und dem englischen Profi Joey Barton raucht es gewaltig: Sätze wie Blutgrätschen, die Wut wächst mit jedem Wort. Am Ende schnaubt Barton, in Anspielung an Hamanns Titel mit Liverpool 2005: "Eine Champions-League-Medaille reicht nicht, damit dich Frau und Kinder respektieren. Dein Leben ist ein Autounfall." Der deftige Zweikampf - von Barton durchaus provoziert - wurde vielleicht mit einigen Pints Bier befeuert. Er ging aber nicht im schummrigen Pub über die Bühne, nicht mit landestypischer nonverbaler Verlängerung. Sondern in Echtzeit bei Twitter, im Neonlicht des sozialen Netzwerks.

Bei einem aktuellen deutschen Nationalspieler wäre ein ähnliches Hochkochen eines Streits bei Facebook oder Twitter kaum vorstellbar. Der Trierer Medienwissenschafts-Student Tilo Saurin (26) hat sich in seiner Bachelor-Arbeit mit den offiziellen Social-Web-Auftritten der Nationalspieler befasst. Er wertete alle Beiträge im Untersuchungszeitraum aus - dem EM-Monat Juni 2012: 154 Statusmeldungen bei Facebook und 49 Tweets. Twitter spiele im Vergleich zu Facebook eine eher untergeordnete Rolle - nur sechs von 23 Nationalspielern hatten einen offiziellen Twitter-Account. Auf Facebook waren 21 Spieler vertreten.

Viele der Ergebnisse hatte Saurin erwartet: Es geht zum großen Teil um Eigen-PR. Jedes "Gefällt mir" steigert den Marktwert des Spielers. Nicht den sportlichen, aber den als Werbeträger. Jeder sechste ausgewertete Beitrag sei gezielte PR für einen Sponsor. Nur allzu plump dürfe die nicht sein, sonst gebe es viele negative Reaktionen. Auch Polarisieren ist nicht erwünscht - und oft auch nicht erlaubt. "Der DFB hat klare Richtlinien, was Spieler posten dürfen und was nicht. An die haben sich alle Spieler gehalten." Das resultiert darin, dass die Beiträge zumeist banal sind, dass sie keine privaten Details preisgeben und sie sich oft auf Phrasen oder Werbung beschränken. Die DFB-Richtlinie gibt es seit 2012. Negative Kommentare gegenüber Schiedsrichter, Teamkollege oder Gegner sind ebenso tabu wie Informationen über Aufstellungen oder Verletzungen.

Das dient wohl auch dem Selbstschutz: Jeder Funke kann theoretisch zum Flächenbrand werden. So hatte sich Nationalspieler André Schürrle unerwartet Ärger eingehandelt, weil er im November 2011 vor dem Länderspiel gegen die Niederlande seine verletzungsbedingte Abreise per Twitter verkündet hatte - Bundestrainer Joachim Löw war stinksauer.

Wenn es eng werden könnte, gehen Seiten-Verantwortliche auch mal in Deckung: So war am Tag, an dem der Wechsel von Mario Götze von Borussia Dortmund zu den Bayern publik wurde, die Kommentarfunktion auf der Facebook-Seite gesperrt. Die Ausläufer des Shitstorms bekommt Götze heute noch zu spüren - wenn er sich denn seine Seite im Detail anschaut. "Mario Götze sagte mir im Interview, dass er alle Inhalte auf der Facebook-Seite mit seiner Agentur SportsTotal abstimmt", berichtet Saurin. Es liegt nahe, dass die Seiten von PR-Profis gepflegt werden - und die Stars nur Gesicht und Name einbringen.

Beispiel Mesut Özil. Der 24-Jährige hat rund 10,8 Millionen Fans bei Facebook, doppelt so viele wie bei der Euro 2012. Damit liegt der Real-Madrid-Star weit vor seinen Kollegen. Auf dem Platz fühlt sich Özil erkennbar wohler als bei Interviews. "Auf Facebook schreibt er seine Beiträge nach Lust und Laune in vier Sprachen - und da findet sich kein Fehler. Özil beherrscht Social Media fast perfekt", kommentiert Saurin. Aber hat er auch was mit den Inhalten zu tun? Ist das wirklich Özil, der Kanzlerin Angela Merkel "eine beeindruckende Persönlichkeit" nennt? "Das lässt sich nicht wissenschaftlich belegen", sagt Saurin. "Es ist nicht erkennbar, wer den Beitrag tatsächlich erstellt hat." Darüber reden wollen die Spieler und Agenturen im Zweifesfall lieber nicht. Nur bei Miroslav Klose liegt der Fall einfach: Er verzichtet auf einen eigenen offiziellen Facebook-Auftritt.

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