Schach Schach: Ein Trierer ist in Deutschland top, aber die Weltspitze ist entfernt.

Berlin/Trier · Die Weltelite spielt in Berlin. Warum deutsche Spieler da nicht mithalten können.

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Foto: TV/Andreas Feichtner

(dpa/red) Seit 97 Jahren hat Deutschland keinen Schach-
Weltmeister mehr. Emanuel Lasker war der bis dato letzte, 1921 musste er die Krone abgeben – seither saß nie wieder ein Deutscher auf dem Thron. Lasker war von 1894 bis 1921 Weltmeister der Geistesgrößen, er starb 1941. Im Jahr 1908 trug er sogar einen WM-Zweikampf gegen seinen Intimfeind Siegbert Tarrasch aus. Solch ein deutsches WM-Duell ist heutzutage weiter entfernt denn je. Auch beim gerade laufenden WM-Kandidatenturnier in Berlin ist kein Deutscher dabei.

Der Schachsport hat hierzulande eine Riesentradition, steckt aber im Dilemma. Die Bundesliga – in der auch die SG Trier bis zum freiwilligen Rückzug 2017 zehn Jahre lang erfolgreich spielte – gilt als stärkste Liga der Welt. Der Deutsche Schachbund (DSB) mit seinen rund 90 000 Mitgliedern unterhält ein perfekt organisiertes zehnstufiges Ligensystem für Vereinsmannschaften; dazu gibt es Sonderligen für Frauen, Senioren und Jugendliche. Veranstalter, Vereine, Verbände und Unterverbände sind perfekt im Internet präsentiert. Alles bestens. Eigentlich.

Dennoch sind die Probleme nicht zu übersehen: Mitgliederzahlen stagnieren, ein allmähliches Vereinssterben hat begonnen, viele Mitglieder spielen ihre abendliche Schachpartie lieber im Internet als im Club. Die verfügbaren Sponsorengelder werden großteils durch die Bundesliga aufgesogen, wo zumindest bei den Spitzenclubs fast kein deutscher Spieler am Brett sitzt. Viele deutsche Talente betreiben Schach nur als besseres Hobby – und verbreitern damit die Phalanx der Spitzenamateure.

Zwei Spieler aus der Region Trier sind auch nach dem Abschied der SG aus der Liga weiterhin in der Bundesliga aktiv (das von einem Mäzen unterstützte Team spielt inzwischen in Großbritannien, der TV berichtete): Der Trierer Georg Meier, Großmeister und Zweiter der deutschen Rangliste, spielt seit der aktuellen Saison für den Bundesliga-Aufsteiger Ditzisau. Zuvor hatter der 30-Jährige unter anderem für Serienmeister Baden-Baden und Werder Bremen gespielt. In der aktuellen Saison traf Meier auch schon auf den Bernkastel-Kueser Lev Yankelevich (20), der in der Bundesliga für die SG Speyer-Schwegenheim spielt.

Düster sieht es allerdings beim Blick auf die Weltrangliste aus: Unter die 100 besten Schachspieler hat sich – auf Platz 63 – gerade einmal Liviu-Dieter Nisipeanu verirrt, ein gebürtiger Rumäne, der erst seit 2014 für den deutschen Verband spielt. Der Trierer Georg Meier erreichte seine bisher Weltranglisten-Platzierung – Platz 65 – im Jahr 2009. Am großen Ausreißer nach oben war Meier maßgeblich beteiligt – am sensationellen EM-Mannschafts-Titel 2011. Meier ist aktuell zwar auch in Berlin präsent – am Mittwoch spielt er bei Makkabi simultan gegen 20 Gegner. Aber an die absolute Weltspitze, die aktuell den Carlsen-Herausforderer sucht, reicht auch der Nationalspieler aus Trier nicht heran. Bei Weltklasseturnieren dürfen Deutsche allenfalls per Veranstalter-Wildcard mitspielen.

Im krassen Gegensatz hierzu ist die Leistungsdichte im Amateur-Spitzenbereich fast nirgendwo so hoch wie in Deutschland. Insgesamt 17 917 Spieler weltweit besitzen einen der vier abgestuften Meistertitel des Weltverbands FIDE. Russland, traditionell die Schachnation Nummer 1, stellt mit 2501 die meisten Titelträger. Doch dahinter folgt schon Deutschland mit 1370 Titeln vor den USA (758).

Den meisten Funktionären fehlt die Sensibilität für die Bedürfnisse des Leistungsschachs, oft resultierte dies in öffentlich ausgetragenen Konflikten. Ein Beispiel: Die langjährige deutsche Nummer 1, Arkadi Naiditsch (aktuell Weltranglisten-45.), verließ die Nationalmannschaft und spielt seit 2015 für Aserbaidschan.

„Dass die Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Schachbund nicht einfach ist, das ist bekannt“, sagte der seit Mai 2017 amtierende DSB-Präsident Ullrich Krause. Zudem sei es schwierig, neue Konzepte im Ehrenamt zu erarbeiten.

Professionalität fehlt auch in den Bereichen Marketing und Einwerbung von Sponsorengeldern. So stehen heute bei knappen öffentlichen Mitteln selbst in vergleichsweise ärmeren Ländern – wie der Türkei oder Armenien – mehr Geld sowie bessere Trainer für die Nachwuchsförderung bereit als in Deutschland.

In puncto Gastgeber von Top­ereignissen kann sich Deutschland freilich sehen lassen: Derzeit läuft in Berlin das Kandidatenturnier zur Bestimmung des Herausforderers von Weltmeister Magnus Carlsen. 2008 wurde das WM-Match Anand – Kramnik in Bonn und die Schach-
Olympiade in Dresden ausgerichtet. 2015 fand die WM im Blitz- und Schnellschach in Berlin statt.

(dpa/AF)
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