Oh, Man! Ein Trierer Bundesligist wandert aus

Trier · Zehn Jahre lang spielte die SG Trier in der Schach-Bundesliga, laut Eigenwerbung der "stärksten Liga der Welt". Das ist vorbei! Fast das komplette Team zieht es auf die Isle of Man. Am Geld oder an der sportlichen Qualifikation liegt’s nicht. Aber an einem Streit.

 Ein Schach-Vizeweltmeister im Heimspiel-Einsatz in Trier? Das wird es zukünftig wohl nicht mehr geben, wie hier im November 2016 beim Einsatz von Wassyl Iwantschuk. TV-Foto: Archiv/Lisa Bergmann

Ein Schach-Vizeweltmeister im Heimspiel-Einsatz in Trier? Das wird es zukünftig wohl nicht mehr geben, wie hier im November 2016 beim Einsatz von Wassyl Iwantschuk. TV-Foto: Archiv/Lisa Bergmann

Foto: (g_sport

Trier Vielleicht wissen es Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge noch nicht, vielleicht ist es ihnen auch egal: Aber nur Trier ist es zu verdanken, dass ihr FC Bayern München auch im nächsten Jahr in der Bundesliga spielen darf. Trotz ihres sportlichen Abstiegs in der Schach-Bundesliga. Das kann man Bayern-Dusel nennen oder nicht - der Club profitiert jedenfalls davon, dass die SG Trier good-bye sagt. Nach zehn Jahren in der Bundesliga. Nach einem wieder mal bombensicheren sportlichen Klassenerhalt in der Schachliga, die sich gerne als "beste der Welt" bezeichnet. Ein Schlussstrich als Tabellenachter, mit drei Siegen in Folge zum Abschluss. Der allerletzte davon, Ehrensache!, gegen Bayern München.
Ein Ende nach einem Jahrzehnt - und nach einem Streit, der so geräuschlos über die Bühne ging, wie man es von einem Schachverein erwarten würde. Bis vor ein paar Tagen, bis zum Saisonfinale. Da schickte die Mannschaftsführung des Trierer Bundesligateams eine brisante Mitteilung an die Liga: "Die Mannschaft der SG Trier wird in der nächsten Saison nicht mehr in der Schachbundesliga spielen. (...) Stattdessen wird das Team mit der großen Mehrheit der gegenwärtigen Spieler in die britische Four Nations Chess League wechseln", heißt es darin. Neue Heimat: die Isle of Man. Die Insel in der Irischen See hat einen Sonderstatus. Sie ist der britischen Krone unterstellt, gehört aber weder zu Großbritannien noch zur EU. Aber warum zieht's eine Mannschaft, die bislang in Trier beheimatet war, ausgerechnet dorthin? Zudem noch in eine schwächere Liga?
Der plötzliche Abschied aus Trier überrascht viele, auch wenn die Spieler aus dem letzten 16er Kader - sie reisten aus halb Europa an, sieben Nationalitäten sind vertreten - schon keinen direkten Bezug mehr zu Trier hatten. Mit Ausnahme des Hauptsponsors, der zugleich Spieler ist: Dietmar Kolbus, ein Internationaler Meister, gilt als Finanzier der Mannschaft. Er hatte in Trier studiert, lebt aber seit Jahren auf der Isle of Man. Ohne sein Sponsoring hätte es wohl niemals Bundesliga-Schach in Trier gegeben. In der Mitteilung, die von Mannschaftsführer Stefan Müllenbruck an die Liga ging, werden zum einen gegen die Liga Vorwürfe erhoben. So wollte die Bundesliga-Mannschaft nicht mehr unter dem Dach der SG Trier spielen, eine Alternative wurde gesucht. "Eine Loslösung der Bundesligamannschaft aus dem Verein erwies sich leider als nicht realisierbar", teilt Müllenbruck, der inzwischen aus dem Verein ausgetreten ist, dem TV mit. Grund seien die Regularien in der Liga, die eine Lizenzübertragung fast unmöglich machten. Aber auch der Verein muss sich öffentliche Kritik von der Mannschaftsführung anhören: Bei der Organisation der Heimspiele haben es Mängel gegeben, die Kontinuität habe gefehlt. So wurde zwar jeweils nur ein Heimspiel-Wochenende pro Saison in Trier ausgetragen. Die Spielstätten wechselten aber fast jährlich. Der zumindest auf absehbare Zeit letzte Bundesliga-Spieltag in Trier ging in der Europäischen Rechtsakademie (ERA) über die Bretter.
Viktor Reichert will diese Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Der 24-Jährige ist 2. Vorsitzender bei der Schachgesellschaft Trier, dem mit rund 130 Mitgliedern größten Schachverein in Rheinland-Pfalz. Seit zwei Jahrzehnten spielt Reichert Schach. Trier in der Schach-Bundesliga? Auch das begleitet ihn schon sein halbes Leben. Aber in letzter Zeit seien Bundesliga-Team und der Verein immer weiter auseinandergedriftet. "Da gab es überhaupt kein Gefühl der Zugehörigkeit mehr. Das lief komplett separat", sagt Reichert. Zuletzt war auch kein Trierer Nachwuchsspieler mehr am sogenannten "Jugend-Brett" gemeldet. "Was für uns aber das Fass zum Überlaufen gebracht hat", sagt er, "das war, dass wir als Verein überhaupt keinen Einblick in die Buchhaltung der Bundesliga-Mannschaft bekommen haben". Das habe der Vereinsvorstand angefragt - ohne Erfolg. "Wir haben nie Zahlen gesehen." Für den Verein sei dann klar gewesen, dass es so nicht weitergehen kann.
In diesem Punkt sind sich Müllenbruck und Reichert einig. "Zwischen dem Vereinsvorstand und der Bundesligamannschaft bestehen unüberbrückbare Differenzen", so nennt es Müllenbruck, der bei Manx Liberty, dem künftigen Team vieler Ex-Trierer, keine offizielle Funktion übernehmen will. "Der Hauptsponsor wird sich dort auch weiterhin für hochklassigen Schachsport engagieren", kündigt er an. "In Trier war das leider nicht mehr möglich." Einen früheren Vizeweltmeister wie den Ukrainer Wassyl Iwantschuk wird man also künftig nicht mehr in Trier im Einsatz sehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort