Peterchens Abfahrt: Wer ist Tour-Bösewicht Sagan?

Vittel · Wie der Slowake vom Star zum Buhmann geworden ist.

Vittel Eigentlich ist Peter Sagan das, was man einen Sympathieträger nennt: Sprinterfigur, langes Haar, gebräunt, Blendax-Lächeln, umschwärmt, erfolgreich - ein Frauenliebling par excellence. Ein Rosenkavalier auf Rädern. Doch der Weltmeister ist wie weiland Dr. Jekyll and Mr. Hyde - ein Janusköpfiger auf dem Rad. Am Dienstagabend beim Zielsprint in Vittel ließ er (vermeintlich) den Bösewicht raus. In Gestalt seines Ellbogens, der Mark Cavendish erst aus dem Sattel hievte und dann in die nächste Absperrung krachen ließ. Das Ergebnis: Cavendishs Schulter gebrochen, Tour damit für ihn beendet. Für Sagan, den Mann aus dem deutschen Team Bora-Hansgrohe ebenfalls. Die Tour-Direktion nahm ihn nach dieser Rambo-Attacke aus dem Rennen (der TV berichtete) - trotz Protests seiner sportlichen Leitung.
"Geht überhaupt nicht, so etwas. Eine richtige Entscheidung", sagt auch der ehemalige Trierer Radprofi Reimund Dietzen, der die Szene am Dienstag vor dem Fernseher verfolgte.
Ein ziemlicher GAU ist das Aus des Slowaken für dessen deutschen Arbeitgeber: Bora-Hansgrohe hatte im Vorfeld der Tour mit jeder Menge Werbespots auf seine Produkte aufmerksam gemacht, mit der Verpflichtung des Weltmeisters Sagan nicht nur viel Geld in die Hand genommen - die Rede ist von vier Millionen Euro pro Jahr - sondern sich auch noch ein positives Image verschafft.
Während Sagan behauptet, er habe seine Linie nicht verlassen und mit dem Ellbogen nur eine Ausweichbewegung gemacht, hält sich der Rennstall mit Äußerungen zum Vorfall bislang zurück. Wohlwissend, dass sich mit unbedachten Äußerungen leicht noch mehr Porzellan zerdeppern ließe. Auch sportlich war das Team ganz auf Sagan zugeschnitten: Edelhelfer im Flachen, Anfahrer für den Zug auf den letzten Metern: alles für den Sonnyboy.
Es sind Sagans grenzenloses Selbstbewusstsein, sein ausgeprägter Mut zum Risiko und seine Schlagfertigkeit, die ihn so auszeichnen. Auf die Fragen, warum er denn so angriffslustig sei, hat der "Saganator" auch gern mal eine passende Macho-Antwort parat: "Weil ich Big Balls habe." Bei der Flandern-Rundfahrt kniff er auf dem Podium auch schon mal einer Hostesse in den Po, wofür er sich anschließend entschuldigen musste.
Wie kaum ein anderer Fahrer beherrscht er sein Rennrad. Als früherer Junioren-Weltmeister auf dem Mountainbike ist er ein Abfahrtskünstler und nimmt dabei der Konkurrenz auch mal eine halbe Minute ab. Immerhin: Sein Abgang am Mittwoch hatte Stil. Er verlor kein böses Wort gegen die Jury, entschuldigte sich bei Cavendish und akzeptierte zähneknirschend die Entscheidung. "Ich bin gegen die Entscheidung der Jury, aber ich akzeptiere sie", sagte er, bevor er in seine Wahlheimat Monaco abdüste.

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