Radsport: John Degenkolb quält sich für den WM-Traum

Ponferrada · Vor zwei Wochen galt John Degenkolb noch als aussichtsreicher Kandidat auf den Weltmeisterschaftstitel. Dann aber wurde er mit einer fiebrigen Infektion gestoppt. Er lag fast eine Woche lang im Krankenhaus. Der Thüringer ist aber Schmerzen gewöhnt.

Ponferrada. Vom Krankenhaus-Patienten zum Hoffnungsträger: Wenn am Sonntag die deutsche Mannschaft bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft in Ponferrada 48 Jahre nach dem Triumph von Rudi Altig den nächsten Anlauf auf den WM-Thron nimmt, ruhen die Hoffnungen auf dem leidens erprobten Youngster John Degenkolb.
Noch vor zwei Wochen zählte der Thüringer zu den Top-Favoriten auf das Regenbogentrikot, doch ein entzündeter Lymphknoten in Größe eines Tischtennisballs im Anschluss an die Spanienrundfahrt zwang ihn zu einem sechstägigen Aufenthalt im Frankfurter Bürgerhospital.
Für seinen großen Traum sind ihm aber keine Schmerzen zu groß. "Ich bin ein Typ, der auf die Zähne beißt. Radsport ist nun einmal eine riesige Quälerei. Wir sind ein Haufen harter Kerle", sagte Degenkolb.
Die Leidensfähigkeit des 25-Jährigen ist sehr groß. Im Sommer schleppte sich Degenkolb bei der Tour de France nach zwei Stürzen mit einer schmerzvollen Gesäßeinblutung über die Landstraßen. Trotzdem fuhr er zweimal auf den zweiten Platz. Bei der Vuelta, bei der er vier Etappen gewann, hätte er aufgrund einer verschmutzten Schürfwunde eigentlich aussteigen müssen. Doch das Grüne Trikot des Punktbesten wollte er trotz aller Schmerzen nicht mehr hergeben.
Gesundheitlich stehe einem Start am Sonntag auf dem anspruchsvollen Rundkurs über 254,8 Kilometern und 4300 Höhenmetern nichts mehr im Weg. Die Blutwerte seien wieder in Ordnung, doch zu den Medaillenkandidaten zählt sich Degenkolb nach seiner unfreiwilligen Auszeit nicht mehr. "Mir fehlt die Spritzigkeit", sagt der tempoharte Spezialist für Eintagesrennen.
Trotzdem geht Degenkolb als Kapitän ins Rennen, echte Alternativen hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) nicht. Sollte es nicht reichen, muss das Team improvisieren, wie der entthronte Zeitfahrchampion Tony Martin betont: "Wenn der Worst Case eintritt, bin ich vielleicht einer von mehreren Jokern." Auch Paul Martens käme das anspruchsvolle Profil zugute. "Ich bin aber im Sprint nicht so schnell wie John", gibt der Rostocker zu.
Eifeler Fröhlinger in Helferrolle


Keine Siegoptionen dürften der Eifeler Johannes Fröhlinger und André Greipel sein, die mit ihrer Erfahrung helfen wollen. Greipel: "Es ist auch eine Ehre, bei der WM zu starten."
Eine Ehre wäre es auch für Fabian Cancellara, nach vier Titeln im Zeitfahren mal im Straßenrennen ganz oben zu stehen. Der Klassikerspezialist aus der Schweiz ist der große Favorit auf den Sieg — auch wegen des Streckenprofils. Nach einem mittelschweren Anstieg wartet eine 4,5 Kilometer lange Tempoabfahrt zum Ziel. Ganz nach dem Gusto des dreimaligen Roubaix-Siegers, der sogar extra auf einen Start im Einzelzeitfahren verzichtet hatte. dpa/red

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