Riol hofft auf den ganz großen Coup

Riol · Der Kegelsportverein (KSV) Riol kämpft in diesen Wochen um den deutschen Meistertitel. In den vergangenen Jahren hatte KF Oberthal immer die Nase vorn. Doch die Rioler wollen als eingeschworene Mannschaft dagegenhalten.

 Gut gelaunt kegelt es sich besser: Die Mitglieder des KSV Riol fiebern dem Heimspiel am Sonntag entgegen (hier ein Foto aus dem Archiv). Dann spielt die erste Mannschaft gegen drei weitere Teams in der Meisterrunde der Bundesliga. TV-Foto: Hans Krämer

Gut gelaunt kegelt es sich besser: Die Mitglieder des KSV Riol fiebern dem Heimspiel am Sonntag entgegen (hier ein Foto aus dem Archiv). Dann spielt die erste Mannschaft gegen drei weitere Teams in der Meisterrunde der Bundesliga. TV-Foto: Hans Krämer

Riol. Simone Schnorpfeil fällt ihren Teamkollegen in die Arme. "Endlich!", jubelt sie, während von allen Seiten anerkennende Worte, Schulterklopfen und Applaus kommen. Die Sportkeglerin hat mit 938 Holz gerade ihre persönliche Bestmarke überboten.
Eine Szene aus dem Training des KSV Riol, derzeit bester Kegelsportverein aus der Region. Und eine Episode, die typisch ist für die Rioler. "Bei uns geht\'s sehr familiär zu", sagt Anton Krämer, obwohl das gar nicht nötig wäre, weil es jeder Zuschauer ohnehin sofort bemerkt. Was bei Bundesligisten in anderen Sportarten undenkbar wäre (und damit ist nicht nur der Vereinsetat von 30 000 bis 40 000 Euro gemeint), ist für die Kegler Normalität: Anton Krämer ist als erster Sportwart nicht nur für die taktischen Finessen und die Aufstellung zuständig, er fährt auch den Mannschaftsbus, wenn es zu Auswärtsspielen zum Beispiel ins Tecklenburger Land oder nach Salzgitter geht.
Seit sechs Jahren spielt die erste Herrenmannschaft des KSV Riol in der Bundesliga, viermal wurde sie in dieser Zeit deutscher Vizemeister - eine beeindruckene Bilanz. Nur an Oberthal, "dem FC Bayern München des Kegelsports" (Krämer), kamen sie bisher nicht vorbei. Noch nicht.
Kegeln, ein Kneipensport? Mit dem Klischee haben Sportkegler immer noch - wenn auch immer seltener - zu kämpfen. Krämer und KSV-Vorsitzender Josef Valentin bleiben angesichts solcher Vorurteile gelassen. "Ich sage dann immer: ,Komm doch einfach mal zu einem unserer Spiele!\'" Nach einem solchen Besuch hätten sich die Sprüche dann erledigt, sagt Krämer. Ein kleines Lächeln kann er sich nicht verkneifen.
Wie professionell es in den oberen Kegelligen tatsächlich zugeht, zeigen folgende Punkte:
Dopingkontrollen: Unangekündigte Kontrollen sind in der Kegel-Bundesliga gang und gäbe - auch schon mal am frühen Morgen. "Wir sind der Nationalen Anti-Doping-Agentur genauso angeschlossen wie andere Sportarten auch", sagt Krämer. Mittel zum Muskelaufbau würden beim Kegeln allerdings kaum weiterhelfen. "Betablocker wären etwas, womit sich Kegler dopen könnten", sagt KSV-Pressesprecher Freddy Langer. Weil auf der Bahn höchste Konzentration und starke Nerven gefragt sind, würden solche blutdrucksenkenden Mittel helfen - wenn sie nicht verboten wären. Im Alltag geht es zum Beispiel aber eher darum, aufzupassen, welche Grippemittelchen erlaubt sind (oder eben nicht).
Schiedsrichter: Die Vereine müssen Schiedsrichter stellen oder solche dafür bezahlen. Unter anderem Vorsitzender Valentin sorgt dafür, dass bei Spielen die Regeln eingehalten werden. Und die haben es in sich: Neben offensichtlichen Vorschriften wie der, nicht außerhalb der gekennzeichneten Flächen zu kegeln, ist es dem Spieler nicht erlaubt, mit dem Publikum zu sprechen. Er darf nur mit seinem Betreuer kommunizieren. Allzu ausladende Gesten der Freude sollten sich die Kegler auch verkneifen. Kraftausdrücke sowieso. Ansonsten droht die Gelbe Karte. Früher ging es übrigens um einiges skurriler zu: "Da musste der Schiri sogar darauf achten, ob die Socken weiß genug sind", sagt Langer.
Training: Die Rioler trainieren zweimal in der Woche, pro Einheit zweimal 120 Kugeln. Auch am kommenden Samstag, gleich nach der Rückkehr aus Münstermaifeld, wird noch einmal trainiert, um das Gefühl für die eigenen Bahnen wiederzubekommen. "Wir Kegler sagen dazu: die Hand wieder sauber kriegen", erklärt Krämer. Denn jede Bahn ist anders (siehe Hintergrund) - und der Spieler muss dementsprechend darauf reagieren.
Taktik: Wie die Trainer bei anderen Teamsportarten auch, macht sich Sportwart Krämer vor jedem Spiel Gedanken, in welcher Reihenfolge die Spieler antreten. "Die Kräftigsten kommen oft zum Schluss dran, weil der Wachs auf den Bahnen dann oft schon runter ist", erklären die Profis. Dann gleitet die Kugel nicht mehr ganz so geschmeidig wie zu Beginn. Aber auch der Start darf nie unterschätzt werden - und da gibt es durchaus ein paar psychologische Tricks: "Wenn ein dreifacher Weltmeister wie Steve Blasen direkt zu Beginn mit einer Superleistung loslegt, dann ist das schon mal eine Kampfansage an den Gegner."
Zuschauer: Es dürfte wohl kaum einen Bundesligisten geben, wo die Zuschauer so nah am Geschehen dran sind wie in Riol. Und sie können oftmals auch einen Unterschied ausmachen. Der Verein hofft am Sonntag im Heimspiel auf mindestens 200 Zuschauer; es wurden extra Tribünen aufgebaut. Der Eintritt ist frei. "Weitere Zuschauer sind uns herzlich willkommen", sagt Krämer. "Das wird ein Hexenkessel", freut sich auch Langer. Die Spieler können das Anfeuern, das Grölen und Jubeln der Fans ausschalten; "die haben dann den absoluten Tunnelblick". Und mehr noch: "Wenn es ihnen etwas ausmachen würde, dann wären sie keine guten Kegler", sagt Langer. Manch einen stachelt der Lärm sogar regelrecht an: "Unser Brasilianer, der braucht das." Unser Brasilianer - das ist Erstligaspieler Bernardo Immendorff.
Noch wollen sie in Riol keine Prognose abgeben, wie es um die Chancen auf den Gewinn der deutschen Meisterschaft steht. Krämer: "Nach dem kommenden Wochenende kann man da schon mehr sagen." Eines steht aber jetzt schon fest: Die Rioler würden auch den Vizemeistertitel feiern. Und sie verstehen es zu feiern. Krämer: "Sollten wir am letzten Spieltag tatsächlich ganz oben stehen, werde ich den Bus ganz sicher nicht mehr nach Hause fahren", sagt er und lacht. Im gleichen Atemzug erzählt er von der Aufstiegsfeier im Jahr 2008, als seine Spieler plötzlich mit einem Riesenkübel hinter ihm standen und ihn mit Weißbier begossen.
Auch der KSV Riol kommt dem FC Bayern München also ein wenig näher.Extra

Die erste Mannschaft des KSV Riol spielt in der Bundesliga, Sektion Schere. Diese Art des Kegelns heißt so, weil die Bahn ab der Mitte breiter wird (wie eine geöffnete Schere). Scherebahnen sind leicht nach innen gewölbt ("gekehlt") und steigen an. Es gibt sowohl Holz- als auch Kunststoffbahnen. Natürlich müssen Bundesliga-Kegelbahnen bestimmten Vorschriften genügen, bei denen es aber immer einen geringen Toleranzbereich gibt. Auch kann die Beschaffenheit der Bahn durch die Art des Wachsens, die Luftfeuchtigkeit oder die Temperatur verändert werden. Schon diese kleinen Unterschiede sorgen dafür, dass sich die Sportkegler immer wieder neu auf die Bahnen einstellen und ihre Wurfart gegebenenfalls anpassen müssen. Die Profis der ersten Liga beherrschen mehrere Wurfarten, daher können sie sich darauf aufgrund ihrer Erfahrung relativ schnell einstellen. bec

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