Sand, Weite, Sonne … und das Ganze von vorn

Den kältesten Lauf der Welt, den "Polar Bear Marathon" hatte der aus Ormont in der Eifel stammende Sven Henkes gewonnen. Nun ging es darum, einen weiteren Extremlauf zu meistern: den "Sahara-Marathon" in Algerien. Von seinen Erlebnissen erzählt er in einer Reportage, die wir in Auszügen veröffentlichen.

Das Einchecken in Madrid hat sich recht lange hingezogen, trotz der Tatsache, dass jeder nur mit minimalem Gepäck reist; zumal auch eine riesige Menge Material, vor allem Hilfsgüter, mit aufgegeben wird. Denn darum geht es vor allem: Unterstützung und Solidarität mit den Saharawis, die, seit fast 40 Jahren aus ihrer Heimat in Algerien vertrieben, in Flüchtlingscamps leben und darauf warten, wieder zurückzukommen … Gegen Mitternacht landen wir in Tindouf. Visa, Kontrolle hier, Kontrolle da. Die Rucksäcke auf LKW - wir Läufer in Reisebusse, die schon auf dem letzten Loch pfeifen. Nach zwei Stunden Fahrt durch die Wüste. Ankunft im Camp - nichts von Lagerfeuerromantik … Wir nehmen im Gemeinschaftsraum Platz, der für mich, meine beiden Begleiter und zwei weiteren Teilnehmern die Schlafstätte der kommenden Woche darstellt. Es ist gleichzeitig das "Wohnzimmer" der Familie.Wir freuen uns schon auf die Nachtruhe - zumal in zwei Tagen der Marathon ansteht und Ruhe vor dem Lauf einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist - allerdings hatten wir nicht mit der Gastfreundlichkeit gerechnet.140 Läufer aus der ganzen Welt

Denn es wird noch Tee gemacht. Es gibt mehrere Aufgüsse, der Tee schäumt, wird von Glas zu Glas gekippt, dann wieder in die Kanne, dann wieder aufgegossen, ein Teil weggeschüttet, dann wieder in die Kanne, Zucker dazu und am Ende bekommt jeder ein Glas mit zwei kleinen Schlucken. Ein Geduldsspiel, wenn man aus einer Welt kommt, die "always online" ist ... Erhaben sind in der Wüste nur die Dünen. Während man sich normalerweise vor einem Marathon Gedanken um die kleinsten Kleinigkeiten macht, hat man hier eher das große Ganze im Blick. Nichtsdestotrotz wacht man auch hier am Morgen des Marathons auf und ist bereit.Nach dem Frühstück geht es zu den Bussen, um zum 42 Kilometer entfernten Startpunkt in El Ajoun zu gelangen. Dort befindet sich ein weiteres Flüchtlingscamp, genauso wie bei Kilometer 21 und eben im Ziel. Während der Fahrt kann man sich mit der Umgebung vertraut machen … Wie sie sehen, sehen Sie … nichts. Sand, Weite, Sonne, … und wieder Sand, Weite, Sonne. Um 9 Uhr sind wir vor Ort, los geht es um 9.30 Uhr. Zeit für letzte Vorbereitungen. Die Truppe versammelt sich zum Start. 140 Läufer aus der ganzen Welt. Ich mittendrin, der Sonne entgegen. Die Temperatur ordentlich, 30 Grad, dazu eine leichte Brise - immer gegen die Sonne laufend. Unzählige Fotos, Startschuss, ab geht\'s. Ich habe die Zielzeiten der vergangenen Jahre gesehen. Mit einem guten Lauf sind die Top 15, gegebenenfalls Top 10, drin. Als die Meute losrennt wie die Feuerwehr, denke ich mir, dass das recht interessant werden könnte. Entweder sind hier die ultimativen Cracks am Start, oder der ein oder andere wird noch ein paar Meter auf der Lernkurve nach oben gehen. Auf den ersten Kilometern recht harter, festgefahrener Sand - allerdings in unregelmäßigen Abständen komplett gewellt …Nach fünf Kilometern sind die ersten Enthusiasten schon im Schritttempo unterwegs. Ich pendele mich auf Position 20 ein. Harter Sand wechselt sich nun mit weichen Stellen ab, garniert mit Steinen, dann wieder ohne. Aber alles noch recht flach. Rechts und links die wunderbare Weite der Wüste, die hoch stehende Sonne.Quer durch die Wüste

Der Weg wird schwieriger und es sind noch 30 Kilometer zu laufen. Ich fühle mich nicht danach, Bäume auszureißen. Allerdings geht es den anderen nicht besser. Bei Kilometer 21 bin ich auf Platz 8. Ab hier wird es richtig interessant. Nach dem Ort geht es mitten in die Wüste, durch tieferen Sand und vor allem Hügel ohne Ende. Felsige Abschnitte, kilometerlange Anstiege, weite Ebenen, steilere Hänge - alles wechselt sich ab und macht das Ganze zu einer echten Herausforderung.Die letzten 5 Kilometer gebe ich noch mal Gas. Ab ins Ziel, Arme hoch. Sensationell. Platz 5 in 3:23 Stunden. Superhappy, superzufrieden. Gewonnen hat mit weitem Abstand und einer Hammerzeit von 2:50 Stunden ein Lauffreund aus Austria, der dort zur nationalen Elite zählt … Insgesamt ist es eine wunderbare Erfahrung. Auf der einen Seite der Lauf - eine Topzeit, Topplatzierung in einem internationalen Feld unter nicht gerade einfachen Bedingungen in der Wüste Sahara - wer kann das schon von sich behaupten? Auf der anderen Seite die tolle Erfahrung im Flüchtlingscamp, mit den Werten und Gepflogenheiten, einer tollen Lebenseinstellung und Verhaltensweisen, auf die es sich immer wieder lohnt zurückzubesinnen. Auch wenn wieder Termine rufen, das Handy klingelt oder sonst die Welt gerettet werden muss …Sven HenkesDie komplette Reportage und weitere Fotos finden Sie im Internet unter: www.volksfreund.de/laufen

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