Dortmund/Ensch/Hermeskeil. Friedhelm Hill überraschte sie alle. Gleich bei seiner ersten deutschen Kraftsportmeisterschaft errang er den Titel. Und das gegen erfahrene Athleten, die schon bei Welt- und Europameisterschaften gestartet sind.
Es ist ein Herzschlagfinale bei den nationalen Titelkämpfen des Natural-Kraftdreikampf-Verbandes in Dortmund: Friedhelm Hill, 33 Jahre, 114 Kilogramm Körpergewicht, 1,76 Meter groß, gegen den Hünen Gregor Loosen, 29 Jahre, 124 Kilogramm Körpergewicht, über 1,90 Meter groß. Loosen, von Beruf Arzt, ist Nationalmannschaftsheber im Deutschen Hauptverband BVDK.
Im letzten Versuch der dritten und entscheidenden Disziplin, dem Kreuzheben, muss Hill reagieren. Er korrigiert das Hantelgewicht beim Wertungsrichter auf 287,5 Kilo hoch. In der Wettkampfvorbereitung hatten Friedhelm und sein Betreuer, Zwillingsbruder Christian, eigentlich 280 Kilo abgesprochen. Das sollte das Maximum sein angesichts der vorher zu absolvierenden, sehr anstrengenden Kniebeugen.
Hill schafft die 287,5 Kilo und zwingt damit seinen Konkurrenten Loosen, 310 Kilo aufzulegen. Damit könnte dieser den Rückstand auf Hill aus dem Bankdrücken und den Kniebeugen wettmachen und den Titel mit 2,5 Kilo Vorsprung gewinnen. Der Hüne hebt das Gewicht mit einem Urschrei an, hat es über den Knien, dann fast oben, doch er kann den Rücken nicht ganz durchdrücken. Fehlversuch! Jetzt ist es amtlich: Friedhelm Hill ist Deutscher Meister mit einem deutschen Rekord im Gesamtergebnis (742,5 Kilo) und in der Einzeldisziplin Kniebeuge (270 Kilo). Den Grundstein für den Titel hatte er im Bankdrücken mit 185 Kilo gelegt.
Die Schwerathletik hatte Hill zunächst nicht in ihren Bann gezogen. "Ich wollte unbedingt Fußballprofi werden", sagt der gebürtige Klüsserather. Zusammen mit Bruder Christian spielte er bei den Junioren in Salmrohr und Wittlich, später unter anderem beim Verbandsligisten Leiwen und häufig in der Rheinland-Auswahl. Mit Anfang 20 war dann Schluss mit Fußball. Die Hill-Brüder absolvierten eine Ausbildung im Fitness-Studio ihres älteren Bruders Marco (39), der ebenfalls im dopingfreien Kraftsport für Furore gesorgt hat. Marco wurde im vergangenen Jahr Deutscher Vizemeister im Natural Bodybuilding (der TV berichtete); in diesem Jahr kam er auf Platz 3. Die jüngeren Hill-Brüder absolvierten ein Studium zum Gesundheitsmanager und Ernährungsberater (Christian) und zum Fitnessfachwirt (Friedhelm). Seit 2011 leiten beide ein Fitness-Studio in Hermeskeil.
Der Kraftdreikampf ist aus dem Gewichtheben entstanden. Dass sich Friedhelm Hill nicht für diese klassische Sportart entschieden hat, begründet er mit seinem Alter: "Gewichtheben ist technisch sehr anspruchsvoll, das lernt man als Erwachsener nicht mehr." Doch auch die Dreikampfübungen Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben müssen bei Wettkämpfen nach strengen Regeln ausgeführt werden. "Ich habe in Dortmund einmal beim Bankdrücken leicht den Fuß bewegt, da wurde der Versuch schon als ungültig gewertet", sagt Hill. Großen Wert lege der Verband auf "saubere" Athleten. Alle Teilnehmer der DM werden am Wettkampftag auf Doping getestet. Doch damit ist es nicht getan. Friedhelm Hill: "Wir müssen eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass wir nie verbotene Substanzen eingenommen haben. Außerdem kann es jederzeit unangemeldete Kontrollen geben."
Im nächsten Jahr möchte Friedhelm Hill auf jeden Fall seinen Titel verteidigen, auch internationale Starts sind geplant. Allerdings noch nicht bei der bevorstehenden Europameisterschaft in Großbritannien, für die er eingeladen wurde. Dreimal pro Woche trainiert der Fitnesstrainer für jeweils zwei Stunden in seinem Studio. Das ist im Vergleich zu anderen Kraftdreikampf-Athleten, die täglich Gewichte stemmen, eher moderat. "Vielleicht spielen da meine Gene und das Talent eine Rolle", sagt Hill, "ich war schon in der Kita und in der Schule immer der Stärkste."