Tennis: Laura Siegemund über ihre beste Profisaison, starke Gegner und spontane Grillfeten

Kockelscheuer · Laura Siegemund ist eine Aufsteigerin des Jahres. Von Platz 90 hat sich die Stuttgarterin auf Rang 29 der Weltrangliste vorgearbeitet, ist aktuell zweitbeste Deutsche. Dabei hatte sie 2012 mit dem Tennis schon fast abgeschlossen. Was sie jetzt anders macht, hat sie dem TV am Rande des Turniers in Luxemburg erzählt.

Für Laura Siegemund war 2016 das bisher erfolgreichste Jahr ihrer Tenniskarriere. Der Abschluss allerdings hätte schöner ausfallen können: Magenprobleme haben die 28-jährige Stuttgarterin bei den BGL Open in Luxemburg gestoppt. "Der Fisch gestern Mittag war eigentlich sehr lecker", sagt sie nach ihrer Niederlage gegen die Italienerin Francesca Schiavone mit einem gequälten Lächeln. "Aber seitdem geht es mir richtig schlecht."

Nach dem Einzel-Aus in Runde eins beim mit 250.000 US-Dollar dotierten Damenturnier im Sportcenter Kockelscheuer wollte Siegemund am Dienstag eigentlich gar nicht mehr im Doppel antreten. Sie tat es dann doch, biss auf die Zähne . verlor aber mit ihrer Doppelpartnerin Antonia Lottner ebenfalls in der ersten Runde gegen Annika Beck und Xenia Knoll (4:6, 4:6). "Das ist schade. Aber ich wollte es probieren, weil ich ungern aufgebe, wenn ich nur irgendwie auf dem Platz stehen kann", bedauert Siegemund.

Weit nach oben geklettert

Dieses Kämpferherz zeichnet die 28-Jährige aus, vor allem in ihrer bislang besten Profisaison. Das Jahr begann die in Filderstadt geborene Schwäbin mit dem Lockenschopf in den Top 90 der Weltrangliste, kletterte zwischenzeitlich bis auf Position 27. Aktuell ist sie mit Rang 29 die zweitbeste deutsche Spielerin hinter der Weltranglisten-Ersten Angelique Kerber. "Es war ein Top-Jahr für mich", sagt Siegemund.

Bei den Australian Open überstand sie erstmals die Qualifikation fürs Hauptfeld und kam bis Runde drei. Im April begeisterte sie Fans und Medien mit dem Finaleinzug in ihrer Heimatstadt Stuttgart, wo sie erst an Kerber scheiterte. Im Juli gewann die 28-Jährige ihren ersten WTA-Titel in Schweden, fuhr im August zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro und schied dort im Viertelfinale aus. Bei den US Open gewann sie mit dem Kroaten Mate Pavic das Mixed-Turnier. Ihr persönlich, sagt sie, seien zwei dieser Erfolge besonders wichtig: "Die Woche in Stuttgart und mein erster Titel, daran werde ich mich am meisten erinnern."

Laura Siegemund genießt es, Tennis zu spielen. Das war nicht immer so. 2000 gewann die damals Zwölfjährige in Florida ein wichtiges Nachwuchsturnier - und galt in den Medien gleich als Nachfolgerin von Tenniswunder Steffi Graf. Aber der Druck war zu viel. In der Folge spielte Siegemund bei kleineren Turnieren, scheiterte oft früh. Der Durchbruch blieb aus. Ende 2012 nahm sie dann eine Auszeit vom Profitennis, machte einen Trainerschein und in Hagen ihren Bachelor in Psychologie - Titel ihrer Abschlussarbeit: "Versagen unter Druck".

Mehr zufällig sei sie danach wieder auf die Profitour "zurückgestolpert", sagt sie heute. Seitdem geht es steil bergauf. "Ich habe gelernt, die Dinge locker und gelassen zu sehen", lautet ihre einfache Erklärung. Mit den ersten guten Ergebnissen habe sich auch ihre "Ausgangssituation" geändert. Sie müsse nun nicht mehr kraftraubende Qualifikationen spielen, um ins Hauptfeld zu gelangen. Ihr Spiel habe sich dabei "automatisch verbessert" - dank der stärkeren Gegnerinnen: "Wenn du bei den US Open gegen Venus Williams antrittst, dann weißt du, wo der Hammer hängt."

Sie habe zwar schon vorher auf hohem Level gespielt, sagt die quirlige Schwäbin, aus der die Säzte in feinstem Dialekt oft nur so heraussprudeln. "Aber ich hatte einfach nicht die Bühnen, um das zu zeigen." Die sind ihr nun gewiss, aber sie möchte sich auch Zeit nehmen, ihre Siege zu genießen. "Das hat dieses Jahr gut geklappt." Zu Hause in Stuttgart habe sie "spontane Grillfeten eingeführt", um regelmäßig mit Freunden und Familie zusammen sein zu können. "Daraus ist ein richtiges Ritual geworden."

Für Siegemund war Luxemburg das letzte Turnier der Saison. Wie viele Spielerinnen fühlt sie sich dort sehr wohl. "Ich war so oft hier, da baut man persönliche Beziehungen zu den Leuten auf. Und es ist nah an der Heimat." Auf die freue sie sich nun "tierisch". Zwei Wochen Urlaub habe sie sich "verordnet", ein paar Tage fahre sie mit Freundinnen ins Wellnesshotel.

Ihre Ziele für 2017, sagt Siegemund, sind "keine messbaren Resultate oder Weltranglisten-Positionen". Wichtiger sei ihr eine "gewisse Zufriedenheit". Sie stehe gern auf dem Platz, das ständige Unterwegsein belaste sie aber. "Ich suche einen Weg, wie ich das Leben auf der Tour für mich noch schöner gestalten kann."

Extra Ergebnisse und Becker-Absage

Vorjahres-Finalistin Mona Barthel hat bei den BGL Open in Luxemburg das deutsche Erstrundenduell gegen Qualifikantin Carina Witthöft in zwei Sätzen gewonnen (6:1, 6:4). Ausgeschieden ist dagegen die Bonnerin Annika Beck. Sie unterlag der Niederländerin Kiki Bertens (4:6, 4:6). Laura Siegemund verlor am Montag mit 2:6 und 2:6 gegen Francesca Schiavone aus Italien.

Die für heute, Mittwoch, 18.30 Uhr, angekündigte Autogrammstunde mit Star-Gast Boris Becker hat der sechsmalige Grand-Slam-Sieger zwar kurzfristig abgesagt. Dafür springt laut Veranstalter Wimbledonchampion Michael Stich ein. cweb

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