Trotz gefesselter Beine freier bewegen
Unter Wasser ist die Schwerkraft außer Kraft gesetzt und der sonst an die Erde gebundene Mensch kann regelrecht fliegen. Dieses Erlebnis fasziniert umso mehr Menschen mit Bewegungseinschränkungen.
Bernkastel-Kues. (teu) "Die Suppe kocht", sagt der "Yeti". Werner Lamberti aus Wittlich, der auf diesen Spitznamen hört, ist zufrieden. Alle Taucher tummeln sich am Boden des drei Meter tiefen Beckens des Bernkastel-Kueser Schwimmbads. Die Luftblasen, die sie nach oben schicken, blubbern an der Oberfläche wie kochendes Wasser.
In der Tiefe freut sich jemand, dass er sich so bewegen kann, wie schon lange nicht mehr. Der junge Mann ist nach einem Motorradunfall querschnittsgelähmt. "Als er das erste Mal im Wasser war und sich frei bewegen konnte, hatte er Tränen in den Augen", erinnert sich Lamberti. "Man kann sich frei bewegen, tun und lassen was man will, drehen, Pirouetten schlagen. Das Hauptproblem ist das Atmen", sprudelt es aus dem Taucher heraus, als er wieder an die Wasseroberfläche kommt. "Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, weil ich gewohnt bin, durch die Nase zu atmen, und beim Tauchen atmet man viel durch den Mund." Aber das Tauchen ist für ihn ein wiedergewonnenes Stück Freiheit.
Das gilt trotz seiner gefesselten Beine. Querschnittsgelähmte Taucher erkenne man daran, dass sie keine Flossen anhaben, erklärt Lamberti. Wozu auch: Sie müssen sich allein mit Armen und Händen vorwärts bewegen. Damit die Beine sich nicht stören, bindet man sie zusammen. Das Angebot für behinderte Menschen, tauchen zu lernen, ist für Werner Lamberti und seine Tauchschule Yeti-Divers neu. Auf die Idee kam er auf einem Fest gemeinsam mit Richard Kaut. "Wir bieten vom DRK-Sozialwerk im Rahmen unseres therapeutischen Programms schon seit sieben Jahren Schwimmen an. Als wir dann zum Schnupperkurs Tauchen eingeladen haben, haben sich direkt fünf Leute gemeldet", erzählt Kaut.
Ganz einfach ist es allerdings nicht, Tauchen für Behinderte anzubieten. "Handicap-Tauchen erfordert eine Spezialausbildung. Man lernt dabei, wie man mit den einzelnen Behinderungen umgeht. Jeder Taucher ist wieder neu. Man kann nichts von der Stange anwenden. Ein Rollstuhlfahrer verhält sich ganz anders als Menschen mit anderer Behinderung", erklärt der Tauchlehrer. Ziel sei, dass Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam tauchen. Denn unter Wasser verschwimmen die Unterschiede.