TV-Serie: Capoeira - Wenn ein Kampfsport sich als Tanz tarnt

Trier · Die Welt der Kampfkunst ist vielfältig und weit weg von Schlägereien in zweitklassigen Actionfilmen. Tausende trainieren in der Region mit unterschiedlichen Motiven: Fitness, Selbstverteidigung, Herausforderung. In der Serie "Kampfkunst" stellt der TV ausgewählte Schulen, Vereine und Disziplinen vor. Heute: Capoeira aus Brasilien.

 Denis Kruschinksi (rotes Shirt) liefert sich in der Uni-Sporthalle ein akrobatisches Duell mit Matthias Tritsch, während eine weitere Sportlerin dazu den Takt auf einem Tamburin vorgibt. Capoeira ist eine normalerweise kontaktfreie Kampfsportart, die auch Tanzelemente enthält. TV-Foto: Frank Göbel

Denis Kruschinksi (rotes Shirt) liefert sich in der Uni-Sporthalle ein akrobatisches Duell mit Matthias Tritsch, während eine weitere Sportlerin dazu den Takt auf einem Tamburin vorgibt. Capoeira ist eine normalerweise kontaktfreie Kampfsportart, die auch Tanzelemente enthält. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. Es entsteht eine andere Welt beim Öffnen der grauen schlichten Glastür der Unisporthalle. Trommelschläge wie der Puls, ein gleichmäßiger Takt - dominant und kraftvoll. Klatschende Hände. Rasseln im Hintergrund. Begleitet von portugiesischem Gesang. Es ist richtig laut. Der Rhythmus wird schnell, noch schneller. Der hellbraune Laminatboden vibriert ganz leicht. Acht Kampfsportler stehen im Kreis. Zwei schauen sich an und sind bereit. Sie stellen sich in die Mitte der Runde. Und das Spiel beginnt.
Das "Spiel", so nennt man den Kampf beim brasilianischen Capoeira. Eine Kunst, die um das 19. Jahrhundert entstanden ist, entwickelt von Sklaven aus Afrika. Zwei Kämpfer stehen sich gegenüber, treten gegeneinander an, während der Rest der Gruppe mit Musikinstrumenten in der Hand einen Kreis, die "Roda", bildet. Dennis Kruschinski, der Trainer, erklärt: "Die Schnelligkeit der Bewegungen richtet sich nach der Musik." Der Kampf besteht aus vielen kreisenden Formen und kann spielerisch, kämpferisch und sogar tollpatschig sein. So kann ein Capoeirista sich bewusst tollpatschig verhalten, um seinen Gegner gezielt abzulenken.
"Der Kampf hat tatsächlich viel von einem Spiel. Es geht um Strategie, Improvisation und Schauspiel", sagt Kruschinski.Ducken, springen, Handstand


Immer wieder kommen sich die zwei Capoeiristas näher. Weichen aus. Ducken sich. Kämpfen in kreisenden fließenden Bewegungen. Wie bei einem Tanz. Ein Hauch alter Traditionen in der kühlen Unisporthalle mit ihren glatten weißen Wänden ohne Struktur und Profil. In der Halle mit der weißen Uhr und den schwarzen Ziffern, die an eine schlichte Bahnhofsuhr erinnert. In der Nase liegt ein leichter Geruch von Schweiß und Gummi von den rot-grünen Sportmatten, die aufeinander gestapelt in der Ecke liegen.TV-Serie Kampfkunst


Die Kämpfer schlagen Rad, machen Handstand, springen in die Höhe. "Beim Capoeira braucht man viel Platz", erklärt der Trainer schon bei den "Trockenübungen" vorm Kampf.
Denn die "Roda" muss gut vorbereitet werden. Kruschinski zeigt Schritt für Schritt jede Technik. Und die Teilnehmer stehen hinter ihm. Wie bei einem Tanzkurs. Der Grundschritt geht langsam von rechts nach links. Viele Bewegungen sehen anstrengend aus, werden kurz vorm Boden ausgeübt und müssen lange gehalten werden. Die acht Capoeiristas sind barfuß, tragen Sporthosen, normale Trainingsshirts.
Bei den Übungen im Vorfeld lässt sich das Kampfkunst-Spiel im Anschluss nur schwer vorausahnen. Nur die leisen traditionellen Lieder von der CD im Hintergrund, die portugiesischen Begriffe vom Trainer und die Instrumente neben den Matten lassen das lautstarke Ende erahnen. Die traditionellen Instrumente reihen sich in der Halle zwischen Trainingsjacken und Plastikflaschen ein: eine Conga, zwei Tambourin und eine Berimbau.
Musik spielt beim Capoeira eine zentrale Rolle. Als die afrikanischen Sklaven in Brasilien ankamen, trainierten sie heimlich. Für ihre Unterdrücker sah der Kampf aus wie ein Tanz, eine Party. Durch die Musik konnten sie sich so verständigen und gleichzeitig tarnen. Ein Grund, warum es beim Capoeira viel um Strategie und Improvisation geht.
"Es gibt keine Regeln bei dieser Kampfkunst. Früher zählte ein starker Körper. Damit konnte man sich gut verteidigen. Es ging damals eben um Leben und Tod", sagt Kruschinski. Heute zum Glück nicht mehr. "Bei uns zählt: Verletze den Gegner nicht!"
Und eine Regel, die seit der Entstehung von Capoeira gilt: Der Kampf beginnt mit der Musik und endet mit ihr. Die portugiesischen Stimmen stoppen, und die lautstarken Instrumente hören auf. Die Unisporthalle wird zur Unisporthalle. Alle gehen raus. Durch die graue kalte Glastür, raus aus der anderen Welt.Extra

Das Capoeira-Training gibt es seit 2008 an der Universität Trier. Es wurde von Matthias Tritsch und Martin Uhl ins Leben gerufen. Seitdem trainieren die Teilnehmer jeden Dienstag und Freitag von 19 bis 20.30 Uhr in der Unisporthalle Trier (Halle 4). Jeder kann mitmachen, ob Student oder nicht. Capoeira gehört zu den Exoten unter den Kampfsportarten in der Region Trier und wird nur selten angeboten. sjs

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