TV-Serie Spochtipedia: Der Tretroller ist nicht länger nur ein Kinderspielzeug

Salmtal · Zwei Räder, ein Trittbrett - mehr braucht es nicht für einen Trend: Der Tretroller als Sportgerät.

Barney kann es nicht erwarten. Schon wenn Herrchen Peter Lames die Trekking-Schuhe anzieht, weiß der Schäferhund-Rüde: Es geht auf Tour. Auf Tour mit dem Tretroller. Damit ist allerdings in diesem Fall nicht das Kinderspielzeug gemeint.

In den letzten Jahren erfreut sich der Tretroller in der "erwachsenen" Version zunehmender Beliebtheit als Sportgerät. Zwei Räder, dazwischen lediglich ein Trittbrett, mit den Füßen stößt sich der Fahrer ab. Mehr braucht es nicht für ein effektives Ganzkörpertraining, meint der 59-jährige Lames. Schultern, Beine, Po: Die Bewegung auf dem Roller trainiert gleich mehrere Muskelgruppen. Der Fahrer hat in der Wirbelsäule eine angenehmere Haltung als auf dem Fahrrad. Und das Rollern gilt außerdem als sehr gelenkschonend. Lames ist Physiotherapeut und weiß daher, wovon er spricht.

Viel Ausrüstung braucht es an sich nicht. Den Tretroller natürlich. Empfehlenswerte Modelle fangen laut Lames bei etwa 300 Euro an. Dazu gegebenenfalls einen Helm und festes Schuhwerk. Zubehör für den Roller ist optional.
Ein Team oder einen Verein gibt es für den Trend-Sport in der Region derzeit noch nicht, meist ist Lames allein unterwegs. Dabei würde er schon gerne mit anderen zusammen fahren, sagt er, doch es sei eben schwierig, genug Leute dafür zusammenzubekommen. Der 59-Jährige hat eine Theorie, woran es liegt: "Ich glaube, sie trauen sich nicht öffentlich, mit dem Roller zu fahren." Weil es eben für viele nur das Kinderspielzeug sei.

Manchmal klappt es dann aber doch, das mit dem gemeinsamen Fahren. Über ein Internetforum hat Lames Menschen gefunden, die mindestens ebenso begeistert vom Tretroller sind, wie er selbst. Ein ganzes Wochenende lang treffen sie sich, fahren am Samstag die Mosel hinauf und am Sonntag wieder hinab. Wie weit sie jeweils fahren, ist nicht festgelegt - so weit die Kondition eben reicht. "Leistungssport überlassen wir anderen", sagt Ulrich Schmitte. Der 58-jährige Koblenzer hat das Treffen organisiert. Vor zwei Jahren hat er das am Niederrhein schon mal gemacht, diesmal sollte es die Mosel sein. "Ich mag die Gegend", sagt er.

13 sind zur Tour gekommen, Treffpunkt ist das Moselörtchen Detzem bei Schweich. Sie kommen aus ganz Deutschland: aus Neunkirchen im Saarland, Hilden bei Düsseldorf oder Rheinhessen. Teilweise haben sie eine lange Anfahrt in Kauf genommen, den Tretroller im Kofferraum verstaut.

Die meisten sind genau wie Lames aus gesundheitlichen Gründen auf das Sportgerät gestoßen. "Als Kind bin ich viel damit gefahren", erzählt zum Beispiel Wolfgang Röhl. "Nachdem ich Knieprobleme bekommen hatte, habe ich wieder angefangen." Seinen Knien gehe es seitdem besser.

Schmitte, der Organistor des Treffens, ist übrigens schon seit 2012 glühender Fan des Tretrollers. Damals fand im saarländischen St. Wendel die Weltmeisterschaft statt. 250 Teilnehmer aus 20 Nationen sind damals nach Angaben der Veranstalter angetreten. Sie fuhren die Marathon-Distanz: 18 Runden mit jeweils 2,3 Kilometern. Sieger war 2012 der Finne Alpo Kuusisto. Die letzte WM gab es 2016 in Australien, die konnte ein Tscheche für sich entscheiden. Die Weltmeisterschaft findet alle zwei Jahre statt, ebenso die Europameisterschaft.

Hinter beiden Veranstaltungen steht die International kiksled and scooter association, kurz IKSA. Hinter dem englischen Begriff kicksled verbirgt sich übrigens ein Rennschlitten, der bei heimischen Veranstaltungen aber nur selten zum Einsatz kommen dürfte. Wettbewerbe eigens für Tretrollerfahrer gibt es also, doch viele setzen auch gerne auf die gängigen Radsportveranstaltungen - und fahren dort einfach mit beziehungsweise die gleiche Strecke nach.
Auf die Spitze getrieben hat es in dieser Hinsicht das französische Team "Kickfrance" im Jahr 2013: Die vier Fahrer fuhren mit dem Tretroller die gesamte Strecke der Tour de France : 3404 Kilometer, inklusive aller sechs Bergetappen.

Lames fährt öfter bei den Radsportveranstaltungen in der Region mit, zuletzt zum Beispiel bei Vulkanbike 2015. "Ich war der einzige mit einem Tretroller", sagt er. Offiziell anmelden habe er sich aber nicht können, dementsprechend sei sein Lauf auch nicht gewertet worden. "Da tut sich der Bund Deutscher Radfahrer noch etwas schwer mit." Dabei liegt es offenbar gar nicht am Verband, zumindest was den Breitensport angeht. Gerhard Wagner vom Landesverband Rheinland-Pfalz ist jedenfalls keine Regelung bekannt, die Tretroller von den Rennen ausschließt. "Das entscheidet jeder Veranstalter individuell." Eine offizielle Rennfahrer-Lizenz gebe es aber natürlich nicht. Möglicherweise darf Lames also doch bald ganz offiziell irgendwo antreten. Schließlich ist das Tretrollern für ihn ein Sport und schon lange nicht mehr ausschließlich ein Kinderspielzeug.Extra: Keine Fahrzeuge im rechtlichen Sinne


Juristisch gesehen gelten für Tretrollerfahrer andere Regeln als für Radfahrer. Erstere gelten laut Paragraf 24 der Straßenverkehrsordung "nicht als Fahrzeuge im Sinne der Verordnung." Ihre Fahrer gelten als Fußgänger. Das bedeutet, auch Erwachsene können mit Rollern auf Gehwegen und in Fußgängerzonen fahren. Damit besteht auch keine Pflicht, den Roller mit Reflektoren, Lampen und ähnlichem auszustatten. Doch selbst wer sein Sportgerät derart ausstattet, darf die Straße nicht nutzen. Gleiches gilt für Wege, die ausschließlich für Radfahrer ausgewiesen sind. Anders sieht die Rechtslage bei den sogenannten E-Scootern, Rollern mit kleinem Motor am Hinterrad, aus. Sie werden bis zu 20 Kilometer pro Stunde schnell. Sie brauchen daher eine Betriebserlaubnis und eine gültige Versicherung. Denn jedes Fahrzeug, das mehr als sechs Kilometer in der Stunde schafft, braucht ein solche Betriebserlaubnis.Extra: Der Sport von A bis Z


Von Aikido bis Zumba, von Boccia bis Yoga: Es gibt weltweit über 250 Sportarten. Die meisten davon werden auch in der Region Trier betrieben. Der TV stellt ab sofort in der Serie "Spochtipedia - alles, was Sport ist!" jede Woche eine davon vor. Wie es geht, was man braucht und wie viel es kostet, erfahren Sie bei uns. Ganz nebenbei lernen Sie auch noch einige schillernde Persönlichkeiten kennen. Lesen Sie am 26. Juli alles zum Thema Beachvolleyball.

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