Warum Sportlern oft unbemerkt die Knie schlackern

Zügiges Gehen, geschmeidiges Laufen und eine hohe Leistungsfähigkeit im Sport hängen auch davon ab, ob die Knie stabil sind. Viele Menschen ahnen lange nichts davon, dass ihre Kniegelenke beim Gehen und Laufen verstärkt nach innen drehen.

Diese sogenannte Innenrotation steht jedoch gerade bei Sportlern im Zusammenhang mit Meniskusschäden und Bandverletzungen am Knie.
Dass sich die Knie zu weit nach innen drehen, kann mit Fußproblemen, aber auch mit Hüftproblemen zusammenhängen. Oder gleich mit beidem. Häufig führt ein ausgeprägter Knick-Senkfuß zur einer starken Knierotation. Das Fußgewölbe, das durch Sehnen und Muskeln wie ein Bogen gespannt ist, fängt beim Laufen und Gehen die Stöße beim Landen wie die Blattfeder eines LKW ab. Rollt der Fuß beim Laufen ab, gibt das Gewölbe unter dem Körpergewicht nach und federt dadurch zumindest einen Teil des Stoßes ab.
"Es ist normal, dass der Rückfuß beim Federn leicht nach innen kippt", sagt der Saarbrücker Geh- und Laufanalytiker Dr. Oliver Ludwig. "Der innere Fußrand senkt sich dabei ein wenig ab." Diese Kippbewegung wird als Pronation bezeichnet und ist Teil des natürlichen Stoßdämpfungsmechanismus. Die Pronation des Fußes hat auch eine leichte Rotation des Knies nach innen zur Folge. Das ist also auch im Normalbereich.
Knickfüße und Senkfüße sind Fehlstellungen des Fußes, die häufig auftreten, oft sogar zusammen. Man spricht dann von einem Knick-Senkfuß. Über die Hälfte der Erwachsenen laufe auf Knick- oder Knick-Senkfüßen durchs Leben, berichtet der Züricher Orthopäde Dr. Christian Larsen in seinem Buch "Gut zu Fuß ein Leben lang".
Merkmale des Knick-Senkfußes sind das abgeflachte Längsgewölbe des Fußes und die stärkere Kippung des Rückfußes nach innen. Beim Senkfuß ist die Längswölbung schon im Stehen abgeflacht. Der Fuß kann noch federn, aber nicht mehr optimal. "Die große Sehnenplatte in der Fußsohle und die Schienbeinmuskulatur, die den Fuß beim Gehen und Laufen anhebt, können nicht die nötige Gegenkraft aufbauen, um den Stoß abzufedern", erläutert Oliver Ludwig. Das Fußgewölbe bleibt flach, seine natürliche Stoßdämpferwirkung wird weitgehend ausgeschaltet. Die Pronation wird zur Überpronation. Stöße dringen verstärkt nach oben hin durch, zunächst in die Sprunggelenke, dann in die Knie.
Beim Absenken des Fußgewölbes und Abknicken des Rückfußes dreht sich der ganze Unterschenkel und mit ihm das Kniegelenk etwas nach innen. Bei Menschen mit schlaffen Bändern ist der Effekt weniger ausgeprägt. Dann führt ein starker Knickfuß oder Knick-Senkfuß nicht unbedingt zu einer starken Knierotation. In der Regel gilt jedoch: Je stärker die Pronation ist, desto stärker rotiert das Kniegelenk.
Bänder und Kapseln werden dadurch stärker belastet. Das kann eine Ursache für Kniebeschwerden bei Läufern sein. Der Außenmeniskus droht frühzeitig zu verschleißen, die Gefahr von Bänderverletzungen im Knie wächst.
Die Menisken - Innenmeniskus und Außenmeniskus - in den Kniegelenken bestehen aus Knorpel. Sie wirken wie Gel-Polster und federn die Stöße ab, die aus den Unterschenkeln nach oben wandern. Zudem ermöglichen es die Menisken, dass der Oberschenkelknochen auf der Gelenkfläche des Schienbeins gleiten kann. Musste ein Meniskus operativ entfernt werden, reibt Gelenkknorpel direkt auf Gelenkknorpel. Diese höhere Belastung führt zu einem schnellen Verschleiß.
Lange haben die Experten darüber gestritten, ob man einen Knick-Senkfuß wegtrainieren kann. "Derzeit besagen die neuesten Forschungsergebnisse, dass der Knickfuß angeboren ist", sagt Ludwig. "Bei der Knickbewegung sind auch keine Muskeln im Spiel, die den Fersenknochen halten könnten, so dass kein Muskeltraining möglich ist, um gegenzusteuern." Der Senkfuß hingegen kann durch gezieltes Training der zu schwachen Schienbeinmuskulatur ein bisschen wegtrainiert werden. Alle Übungen, bei denen die Zehen zum Schienbein hin gezogen werden und bei denen der innere Fußrand angehoben wird, sind hilfreich.
Knick-Senkfüße treten unabhängig vom Alter auf, also auch schon bei Kindern, haben nichts mit der betriebenen Sportart und nichts mit dem Umfang und der Intensität des Trainings zu tun. Da ein Muskeltraining bei Knick-Senkfüßen nur wenig bewirkt, bleiben zur Korrektur nur gute Schuhe, maßgefertigte Einlagen und das Tapen von Mittel- und Rückfuß.
Ob eine Knierotation im kritischen Bereich vorliegt, können Gang- und Laufanalytiker feststellen. In der Regel wird das auf einem Laufband getestet. Meist werden dabei die Beine beim Gehen oder Laufen von vorne gefilmt, wobei auf Kniescheiben und Schienbeine kleine Markerpunkte geklebt werden, die es erlauben, Abweichungen in der Beinachse und das Ausmaß der Knierotation zu messen.
Eine verstärkte Innenrotation des Knies kann auch von der Hüfte herrühren. Bisher geht man davon aus, dass in vielen Fällen zu schwache und verkürzte Muskeln eine Rolle spielen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Muskeln an der Innen- und Außenseite der Oberschenkel. Wenn die äußere Oberschenkel-Muskulatur (Abduktoren) zu schwach ist, kann sie das Bein beim Aufsetzen nicht ausreichend stabilisieren. Es knickt bei jedem Auftreten des Fußes leicht nach innen. Das geht einher mit einer schlecht gedehnten, also verkürzten Muskulatur der Oberschenkel-Innenseite (Adduktoren). Hüftgelenke und Oberschenkelknochen drehen sich dadurch nach innen. Es kommt zu einer X-Beinstellung. Oft geht eine Innenrotation des Knies mit einem X-Bein einher. "Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen jedoch nicht um ein ständiges, also statisches X-Bein, sondern dieses tritt spontan auf, wenn man beim Gehen oder Laufen auf dem entsprechenden Bein landet", erläutert Oliver Ludwig. Um diese sogenannte dynamische X-Beinstellung zu vermeiden, wird vor allem Sportlern geraten, die Adduktoren regelmäßig zu dehnen und die Abduktoren zu kräftigen. Die Mediziner sprechen vom "medialen Kollaps" des Bewegungsapparates, wenn beim Laufen der Fuß des Standbeins nach innen knickt, das Knie ebenfalls nach innen dreht und sich die Hüfte auf der Seite des Schwungbeins senkt.
Im Rahmen des Projekts Kid-Check der Saar-Uni, bei dem Wissenschaftler die Ursachen von Haltungsschwächen- und -schäden schon im Kindesalter erforschen, verfolgen Dr. Oliver Ludwig und Dr. Franz Marschall jetzt eine andere Spur. In umfangreichen Testreihen mit Sportlern aus verschiedenen Sportarten ist den beiden Forschern und ihrem Team aufgefallen, dass die X-Beinstellung - auch als Valgus stellung bezeichnet - nicht maßgeblich von der Kraft der Abduktoren abhängt. "Es spielt offenbar eine viel größere Rolle, ob der Sportler in der Lage ist, die Abduktoren gezielt anzusteuern und zu aktivieren", sagt Ludwig. Es geht um die optimale neuromuskuläre Aktivierung, das perfekte Zusammenspiel von Nerven und Muskeln. Werden die Abduktoren zu spät und in zu geringem Maße aktiviert, können sie das Bein nicht ausreichend stabilisieren.
Diese Schwäche lässt sich mit einem Koordinationstraining bekämpfen. Das ist zum Beispiel mit Sprungübungen möglich, bei denen der Sportler zunächst bewusst darauf achtet, dass bei der Landung die Oberschenkelmuskulatur optimal aktiviert ist. Auch Stabilisationsübungen für die Abduktoren sind hilfreich. Noch läuft die Studie der Saar-Wissenschaftler, doch die Erkenntnis bestätigt sich mit jedem neuen Test.
Eine starke, dauerhafte Innenrotation des Knies kann den Verschleiß des Außenmeniskus beschleunigen, steht aber auch mit Verletzungen des Innenmeniskus, des Innenbandes und des vorderen Kreuzbandes - der schwersten Bandverletzung - in Zusammenhang. Das vordere Kreuzband verbindet den Oberschenkelknochen mit dem Schienbein. Die dynamische X-Beinstellung ist eine typische Situation, in der es zu solchen Verletzungen kommt. Ein unglückliches Aufsetzen, bei dem sich Fuß und Bein verdrehen, ein schneller Richtungswechsel oder ein Hängenbleiben im Boden führen in X-Beinstellung schnell zu Verletzungen. Beim Fußballspielen treten so 70 Prozent der Knieverletzungen ohne Einwirkung des Gegners auf.

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