Wenn nur noch die Hand hilft ...

Trier · Wenn ein Feldspieler ein Tor verhindert, indem er den Ball mit der Hand abwehrt, sieht er die Rote Karte: Die Dauer der Sperre hat sich bisher danach bemessen, ob der Elfmeter verwandelt wird oder nicht. Im Fußballverband Rheinland ist das künftig anders.

 Bernd Reinhart. Foto: privat

Bernd Reinhart. Foto: privat

 Und plötzlich sind die Finger am Ball... Beim Thema „Nothand“ hat der Fußballverband Rheinland eine Änderung beschlossen. TV-Foto: Christian Moeris

Und plötzlich sind die Finger am Ball... Beim Thema „Nothand“ hat der Fußballverband Rheinland eine Änderung beschlossen. TV-Foto: Christian Moeris

Trier. Es ist der 31. Bundesligaspieltag der Saison 2013/14. Westfalenstadion Dortmund. Auf dem Feld stehen sich Borussia Dortmund und Mainz 05 gegenüber. In der 79. Minute stürmt BVB-Stürmer Robert Lewandowski in den Mainzer Strafraum. Es steht 3:2 für die Borussia. Den Mainzer Torwart Loris Karius hat er schon umkurvt. Er zieht ab. Das weiße Leder fliegt, fliegt, fliegt und wird plötzlich von einer Hand abgewehrt: Die Hand gehört Niko Bungert, dem Innenverteidiger der 05er. Er klärt den Ball vor der Linie. Schiedsrichter Markus Schmidt bleibt keine andere Möglichkeit, als Bungert mit Rot vom Platz zu stellen und dem BVB einen Elfmeter zuzusprechen, den Marco Reus zum 4:2-Endstand verwandelt. Bungert wurde vom DFB für seinen "Nothand"-Einsatz für ein Spiel gesperrt, die übliche Fifa-Sperre. Solche Szenen, wie diese aus der Bundesliga, sind derzeit auch Thema im Fußballverband Rheinland (FVR). Denn in Bezug auf das Thema "Nothand" und die daraus resultierenden Strafen hat sich etwas verändert im Regelwerk des FVR.

Die Bestrafung bisher:
Bei einem "Nothand"-Einsatz hing das Strafmaß für den foulenden oder handspielenden Akteur bisher davon ab, ob der resultierende Elfmeter verwandelt werden konnte oder nicht. War der Ball drin, musste der Spieler lediglich ein Spiel zuschauen. Ging der Ball allerdings daneben oder wurde gehalten, wurde der jeweilige Fußballer für zwei Spiele gesperrt.

Der Protest:
Seit drei Jahren kämpft Bernd Reinhart bereits dafür, dass sich etwas an dieser Regelung ändert (der TV berichtete mehrfach). Der Ehrenvorsitzende des SV Ruwer und bis in die 1980er Jahre einer der besten Spieler der Region sagt: "Die Regel führt zu Unsportlichkeiten." Wie das aussehen kann, beschreibt der 77-Jährige an einem Beispiel: "Liegt die Mannschaft, deren Spieler den Elfmeter verursacht, klar vorne, lässt der Torwart den Ball rein. Sein Team gewinnt dennoch, und sein Mitspieler kommt mit einem Spiel Sperre davon."
Wenn aber eine Mannschaft innerhalb von kurzer Zeit zweimal gegen denselben Konkurrenten spielen muss, sagt Reinhart, "kann der Elfmeterschütze den Ball einfach neben das Tor schießen, denn dann wird der Sünder mit zwei Spielen Sperre bestraft." - und fehlt so im nächsten Duell. Bernd Reinhart, der nach seiner Zeit als Spieler auch als Trainer tätig war, wurde 2011 auf dieses Kuriosum aufmerksam. Der Anlass war ein Spiel des SV Ruwer in der Kreisliga: Ein Ruwerer Spieler, der im Strafraum mit einem absichtlichen Handspiel ein Tor des Gegners verhindert hatte, wurde Opfer dieser Regel.
Der Spieler sah damals die Rote Karte, für den Gegner gab\'s einen Elfmeter. Eine regelkonforme Entscheidung - und eine Doppelbestrafung. Doch es kam noch härter für den Spieler. Er wurde gesperrt, wie es bei einer Roten Karte immer der Fall ist - allerdings nicht für ein Spiel wie üblich, sondern für zwei, weil der Torwart seines Teams den Strafstoß gehalten hatte.
Hätte der Spieler den Elfmeter getroffen, wäre es bei der Sperre von einem Spiel geblieben. Daraufhin meldete sich der betroffene Spieler bei Reinhart. Im TV-Gespräch gibt er zu: "Ich war genauso ratlos wie der Spieler." Genau aus diesem Grund wandte er sich an den FVR, mit der Bitte, diese Regelung abzuändern. Doch sein Protest wurde abgelehnt. Bis jetzt.

Das Einlenken des FVR: Bernd Reinharts Einsatz in Sachen "Nothand" ist nun tatsächlich belohnt worden. Die Sportrichter des Fußballverbands haben jetzt beschlossen, dass sich die Dauer der Sperre - ein Spiel oder zwei Spiele - künftig nicht mehr danach bemisst, ob ein verhängter Elfmeter verwandelt wird oder nicht. Im aktuellen Magazin des FVR heißt es: "Künftig soll die Sperre also auch dann auf nur ein Spiel beschränkt werden, wenn der Elfmeter nicht zum Torerfolg führt." Doch es gibt eine Ausnahme: "Bei nicht verwandeltem Strafstoß soll künftig dann weiterhin auf zwei Spiele Sperre erkannt werden, wenn dadurch der Ausgang des Spiels mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit beeinflusst wird."
Wie solch eine Ausnahme aussehen kann, erklärt Norbert Weise, Rechtswart im FVR, an einem Beispiel. "In der 90. Minute gibt es einen Elfmeter beim Stand von 1:1. Der Strafstoß wird aber nicht verwandelt, und danach pfeift der Schiedsrichter das Spiel direkt ab. Es endet also 1:1, anstatt 2:1. In diesem Fall gibt es auch weiterhin eine Sperre in Höhe von zwei Spielen." Die Zwei-Spiele-Sperre sei in diesem Fall gerechtfertigt, weil sich "die durch die unsportliche "Nothand" herbeigeführte Gefahr der Wettbewerbsbeeinträchtigung zweifelsfrei realisiert hat", heißt es im Magazin des FVR. Diese Regeländerung gilt ab sofort allerdings ausdrücklich nur für Spiele im Fußballverband Rheinland. Der FVR ist somit der erste Verband in Deutschland, der diese Änderung vorgenommen hat.
An der üblichen Doppelbestrafung nach "Nothand" und "Notbremse", also Elfmeter, Roter Karte plus einem Spiel Sperre, wird sich allerdings auch in Zukunft nichts ändern. An dieser Fifa-Regelung ist nicht zu rütteln, dies hat der Fußball-Weltverband erst kürzlich noch einmal bestätigt.

Die Reaktion:
Bernd Reinhart ist zufrieden, dass sein Einsatz nun belohnt wurde. Er sagt: "Das Wichtigste ist, dass es durch diese Regel in Zukunft keinen Anlass zu Unsportlichkeiten mehr gibt."

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