Sport Wo Gransdorf ganz weit vorne ist: Beim Gateball geht’s um Präzision und Taktik

Gransdorf · Wie ein Eifel-Dorf auf einen japanischen Volkssport gestoßen ist.

 Ein Hauch von Japan in Gransdorf: Die Gateball-Teams aus der Südeifel bei der traditionellen japanischen Verabschiedung, im Bild unter anderem mit Johann Keil (Nummer 1, links) und dem Engländer und Wahl-Gransdorfer John Swabey (Nummer 2), der den Sport in die Eifel geholt hat. TV-Foto: Andreas Feichtner

Ein Hauch von Japan in Gransdorf: Die Gateball-Teams aus der Südeifel bei der traditionellen japanischen Verabschiedung, im Bild unter anderem mit Johann Keil (Nummer 1, links) und dem Engländer und Wahl-Gransdorfer John Swabey (Nummer 2), der den Sport in die Eifel geholt hat. TV-Foto: Andreas Feichtner

Foto: (g_sport

Dem Herrn mit der roten Nummer 1 auf dem Leibchen ist es sichtlich unangenehm. Aber seine Kollegen lassen nicht locker. "Erzähl schon, Hansi", sagt einer. "Was du geschafft hast, hat noch keiner von uns hingekriegt. Und das wird auch keiner mehr schaffen."

Also erzählt er es dann doch dem TV-Reporter, auch wenn Johann Keil, mit 80 Jahren der älteste in der bunten Gateball-Runde auf dem Bolzplatz im Eifelörtchen Gransdorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm), absolut nicht in den Vordergrund will. "Das war Zufall", so beginnt er. "Reiner Zufall." Was er dem Glück zuschreibt, nennen andere eine perfekte Gateball-Runde: Den Holzball durch die drei Tore schlagen, dann den Zielpfosten treffen - und das mit exakt vier Schlägen, weniger geht nicht. Das ist fast so etwas wie ein "Hole in one" für einen Golfer. Ein Glücksding, für das Glück allein aber nicht ausreicht.

Keil war schon zehn Jahre alt, als der Sport erfunden wurde, fast 9000 Kilometer östlich von Gransdorf, auf der japanischen Insel Hokkaido. Gummi war damals knapp dort, kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Der wurde für Bälle in vielen beliebten Sportarten gebraucht. Holz gab es dagegen reichlich. So nahm sich der Japaner Suzuki Kazunobu die vor allem in Frankreich und England beliebte Sportart Krocket vor, mit ihren Holzschlägern und -Bällen, machte das Spiel schneller und einfacher, nannte es Gateball - und wollte damit vor allem junge Spieler erreichen. Er erfand einen Volkssport.

Johann Keil bekam davon jahrzehntelang nichts mit, so wie mindestens 99,99 Prozent seiner Landsleute zwischen Südeifel und Nordfriesland. "Ich spiele erst seit einem Jahr Gateball", sagt er, der Sport war ihm zuvor komplett unbekannt - und das gilt für fast alle Spieler der Gateball- und Krocket-Freunde aus der Südeifel.

Der 80-Jährige hatte lange Zeit gekegelt, mit Präzision kennt er sich also aus. Aber während Kegeln wie viele andere Sportarten ziemlich die Gelenke beansprucht und nicht mehr unbedingt bis ins hohe Alter gespielt werden kann, ist Gateball auch als Seniorensport zu empfehlen. So sieht es Bettina Swabey. "Das Angenehme ist, dass es für jede Altersgruppe geeignet ist, zudem spielt man draußen und im Team", sagt sie. "Es ist ein Wettbewerb, der auch körperlich anstrengend sein kann - aber vor allem macht Gateball unheimlich Spaß."

Die Swabeys, Bettina und ihr Mann John, haben Krocket und Gateball vor zwei Jahren in die Eifel gebracht. Bisher zwar "nur" in ihre Wahlheimat Gransdorf, wo einmal in der Woche gespielt wird - entweder in der Gemeindehalle oder auf dem Bolzplatz. Das ist sozusagen ein sportlicher Dorftreff mit japanischen Details - etwa bei der Verabschiedung der Teams voneinander, samt Verbeugung.

Im Spiel steckt mehr als nur in 30 Minuten Spielzeit Bälle durch Tore zu schlagen. Es gehe auch darum, dem Gegner die Aufgabe zu erschweren. Dazu brauche es taktisches Geschick, sagt Andre Bozanovic, der den Sport in dieser Hinsicht mit Billard vergleicht. Entscheidend sei die Treffsicherheit, sagt er. "Wichtig ist aber auch, dass man im Rhythmus bleibt. Wenn man den verliert, hat man keine Chance mehr." Der Eifeler muss es wissen. Er führt die Bestenliste in der "Gateball League" an.

Vier Gateball-Turniere hatte es im vergangenen Jahr in Mitteleuropa gegeben: Das erste in Eisenschmitt (Kreis Bernkastel-Wittlich), organisiert vom Südeifel-Club, dann folgten weitere im französischen Beaune, in Genf (Schweiz) und in Hamburg. Nur drei Clubs in Deutschland - sowie ein privates Team - nehmen aktuell an Gateball-Turnieren teil.

Ein Team aus Hamburg, eins aus Wolfsburg und die Eifeler. Für Andre Bozanovic machen gerade die Turniere den Reiz aus: Die Mischung aus internationalem Wettkampf und familiärem Ambiente. Wie man den Ball dabei am besten durch die Tore bugsiert, da gibt es unterschiedliche Philosophien. Das mag an persönlichen Vorlieben liegen oder daran, von welcher Sportart man herkommt: So schwingen die einen den Schläger wie Golfer beim Putten, seitlich.

Die anderen halten es wie Krocketspieler, mit einem Schwungschlag durch die Beine. Seit 1986 werden alle vier Jahre Weltmeisterschaften in der Sportart ausgetragen. Die letzten beiden Titel gingen nach China. Mit vier Schlägen ans Ziel?
Das gelingt den allermeisten Gateball-Experten bei den Weltmeisterschaften von China bis Japan übrigens - zufällig nicht!

Die Gateball-Regeln in Kürze: Zwei Teams mit je bis zu fünf Mitspielern treten gegeneinander an. Die drei Tore sind nummeriert und müssen in der richtigen Reihenfolge durchschlagen werden. Jeder Spieler spielt mit seinem eigenen, mit einer Nummer versehenen Ball. Gewonnen hat das Team, das in der Spielzeit (30 Minuten) die höchste Punktzahl erreicht. Jedes durchlaufene Tor zählt einen Punkt, das Erreichen des Ziels zwei Punkte. Jeder Spieler kann also maximal fünf Punkte erreichen - ein Team höchstens 25 Punkte. Jeder Spieler hat nur 10 bis 15 Sekunden Zeit für einen Schlag.

Gateball: Die Zahl der aktiven Gateball-Spieler in Deutschland liegt - optimististisch gerechnet - allenfalls im unteren dreistelligen Bereich. Das Team im Eifelörtchen Gransdorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) ist das einzige weit und breit, das sich dem Präzisionssport verschrieben hat - und das, obwohl das Spiel leicht zu lernen ist, von Achtjährigen ebenso wie von 80-Jährigen, und man keine allzu aufwendigen Gerätschaften braucht: Schläger, Bälle, Tore - und einen halbwegs ebenen Untergrund. Die Sportart wurde vor 70 Jahren in Japan als schnellere und einfachere Variante des Crocket erfunden: Dort ist es mit rund sechs Millionen Spielern jeden Alters längst ein Nationalsport. Gespielt wird auf einem 20 Meter langen und 15 Meter breiten Feld. Im vergangenen Jahr richtete der Club aus Gransdorf das erste internationale Gateball-Turnier in Deutschland aus. Die Südeifel Krocket- und Gateball-Freunde trainieren mittwochs in der Gemeindehalle in Gransdorf oder auf dem Bolzplatz (Im Flürchen). Weitere Infos im Internet unter johnswabey.wixsite.com/sued-eifel-schlaeger (AF)

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