Wo Kinder auch Kolosse mürbe machen

Mit der Sportart Ringen können einige Menschen etwas anfangen. Aber mit Glima? Außerhalb von Island fristet die Disziplin ein Mauerblümchendasein. Ein Trierer will das ändern.

 In Island (Bild oben) ist Glima weit verbreitet. Christian Bartel (unten) will dem Sport auch in Deutschland zu mehr Popularität verhelfen. TV-Fotos: privat (1), Mirko Blahak (1)

In Island (Bild oben) ist Glima weit verbreitet. Christian Bartel (unten) will dem Sport auch in Deutschland zu mehr Popularität verhelfen. TV-Fotos: privat (1), Mirko Blahak (1)

Trier. Menschen wie er werden gemeinhin als "Schrank" bezeichnet. Seine Größe: 1,92 Meter. Sein Gewicht: mehr als 100 Kilo. Den 35-jährigen Christian Bartel aus Trier wirft so schnell nichts aus der Bahn. Einzige Ausnahme: Wenn ihm 12- bis 13-jährige Isländer zu Leibe rücken, gerät er ins Wanken. Nicht im Alltag, aber im Sport- Glima.

Dahinter verbirgt sich eine spezielle Form des Ringens. In Island ist Glima Volkssport, im Rest der Welt ist es eine Exoten-Disziplin, die bislang nur wenige Athleten betreiben. Bartel ist in Deutschland einer von derzeit sieben (!) Aktiven.

Wo liegen die Unterschiede zum Ringen, das der Sportinteressierte zumindest alle vier Jahre bei Olympischen Spielen verfolgt. Beim Glima müssen die Gegner immer aufrecht stehen, außerdem umrunden sie sich ständig im Kreis (ähnlich wie bei einem Walzer). Bartel gibt zu: "Das sieht teilweise schon etwas dämlich aus." Zudem müssen sich die Kontrahenten stets gegenseitig mit beiden Händen an einem Ledergürtel greifen. Wenn jemand loslässt, wird der Kampf unterbrochen.

Immerhin das Ziel ist das gleiche: Der Gegner soll aus dem Gleichgewicht und zu Boden gebracht werden. "Es gibt acht Grundtricks und davon wiederum viele Varianten. Für jede Angriffstechnik gibt es einen Abwehrtrick", sagt Bartel, der im Karate Inhaber des 2. Dan ist.

Heißt im Klartext: Körpermasse kann hilfreich sein, entscheidend ist aber die Technik. Deshalb können zwölfjährige Könner einen Koloss auch schnell zu Boden bringen.

Ein deutsches Nationalteam: Erst Scherz, dann Realität



Glima ist in verschiedenen Quellen bis ins 14. Jahrhundert belegt - damals diente es den Skandinaviern als Grundlage ihres Kampfkunst-Trainings. Seit 1906 werde Glima in einer sportlichen Form ausgeübt, sagt Bartel. Abseits von Island hat der Sport aber bis heute kaum Fuß gefasst. Die besten Glima-Kämpfer kommen von der Insel im Nordatlantik, dort tragen die Stars der Szene spezielle Trikots und Schuhe.

Bartel greift dagegen zu Jogginghose und T-Shirt. Glima kann draußen (auf einer Wiese) oder in einer Sporthalle betrieben werden. Ein Duell auf der etwa sechs mal sechs Meter großen Kampffläche dauert bis zu zwei Minuten. Klingt kurz, dennoch ist der Sport laut Bartel schweißtreibend: "Der ganze Körper ist gefordert. Bei Turnieren hatte ich vom Zähnezusammenbeißen schon mal Muskelkater im Gesicht."

Durch Zufall wurde der Entwickler im Unternehmen Agfa HealthCare in Trier Glima-Kämpfer. 2006 hatte er als Mitglied einer Wikingergruppe einen Auftritt bei einem großen Markt in Eindhoven. Bei der Gelegenheit gab es eine Glima-Demonstration des isländischen Weltmeisters. Und tags darauf auch gleich ein Turnier. Das erste offizielle außerhalb Skandinaviens.

Bartel nahm teil - und wurde in seiner Gewichtsklasse Zweiter. Euphorisiert gründeten er sowie Gerhard Pauli (Trier), Michael Bansky und Marc Becker (beide Saarland) noch vor Ort im Spaß die deutsche Nationalmannschaft.

Daraus wurde Ernst — die Organisatoren des renommierten Glima-Turniers "Iceland Air Open" luden Bartel und Co. 2007 ein.

Dort wurde der internationale Glima-Verband (IGA) gegründet, Bartel ist Ansprechpartner für Deutschland. 2008 gab es die erste IGA-Weltmeisterschaft im dänischen Roskilde. Bartel gewann Silber in seiner Klasse.

Die nächste WM ist 2012 geplant. In Stockholm - 100 Jahre nach Olympia 1912 in der schwedischen Hauptstadt. Bartel: "Wir wollen Glima international bekannter machen. Auch in Deutschland wollen wir mehr Interesse wecken. Unser Ziel muss sein, künftig die besten Glima-Kämpfer zu Meisterschaften zu schicken — und nicht nur die, die gerade Zeit haben."

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