Zehn Jahre UN-Behindertenrechtskonvention: Auch die Vereine sollen mitziehen

Trier · TV-Redaktionsmitglied Lisa Bergmann sprach mit Michael Bergweiler (34), Geschäftsführer des Behindertensportverbandes Special Olympics Rheinland-Pfalz, über Ehrgeiz, die Vielfalt in Sportgruppen und die Gemeinsamkeiten von Inklusion und Integration.

Zehn Jahre UN-Behindertenrechtskonvention: Auch die Vereine sollen mitziehen
Foto: (g_sport

Trier. Vor zehn Jahren, am 13. Dezember 2006, verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN-Behindertenrechtskonvention. In Kraft getreten ist sie 2008, bis heute haben 148 Staaten die Konvention unterschrieben. Sie haben sich damit verpflichtet, Menschen mit Behinderung als vollkommen gleichwertig anzusehen und ihnen die Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen. Das gilt auch für den Sport und vor allem für die Sportvereine.

Wie weit sind die Vereine in Sachen Inklusion in den letzten zehn Jahren gekommen?
Michael Bergweiler: Einige Vereine sind da schon sehr weit, andere haben derzeit vielleicht noch andere Schwerpunkte, die sie angehen möchten. Es tut sich was, aber wir sind noch nicht am Ziel angekommen.

Wie definieren Sie das Ziel?
Bergweiler: Vereinfacht ausgedrückt ist das Ziel, dass die Menschen mit Handicap genauso wahrgenommen werden und teilhaben können wie der "klassische Vereinssportler". Bis dahin gibt es noch einiges zu tun.

Vor welchen Herausforderungen steht ein Verein, der inklusiv arbeiten will?
Bergweiler: Es sind meistens die klassischen Fragen: Wie fange ich an? Welche Berührungsängste habe ich und wie kann ich sie abbauen? Wo finde ich Menschen mit Handicap, die an meinem Angebot Interesse haben könnten? Dazu kommen praktische Herausforderungen wie zum Beispiel der Transport. Bei Menschen mit geistiger Beeinträchtigung kann man zum Beispiel nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass sie einen Führerschein besitzen. Es sind oft Kleinigkeiten, die Fragen aufwerfen. Aber es liegt nicht an der grundsätzlichen Bereitschaft. Die ist bei vielen Vereinen schon da.

An wen können sich die Vereine mit solchen Fragen wenden?
Bergweiler: Es ist Aufgabe von uns als Behindertsportverbänden, mit dem Landessportbund die Vereine zu unterstützen. Dazu wurde beim Landessportbund mit den Behindertensportverbänden eigens eine "Koordinierungsstelle Inklusion" geschaffen. Wir können zum Beispiel den Kontakt zur Behindertsportgruppe oder zur Förderschule vor Ort herstellen und auf diese Weise Kooperationen ermöglichen. Außerdem bieten wir regelmäßig Fortbildungen an und stellen kostenloses Informationsmaterial zum inklusiven Sport zur Verfügung.

Gibt es finanzielle Unterstützung?
Bergweiler: Gerade hier in Rheinland-Pfalz gibt es vielfältige Möglichkeiten. Da sind unter anderem die Stiftungen zu nennen, allen voran die Lotto-Stiftung, die sich stark für die Belange von Sportlern mit und ohne Behinderung im Land einsetzt. Auch die Aktion Mensch unterstützt bundesweit inklusive Projekte und schafft eine breite Öffentlichkeit. Der Landessportbund Rheinland-Pfalz fördert interessierte Vereine unter anderem mit einer Motivationsprämie, wenn sie inklusiv arbeiten möchten.

Wie können Vereine von der Inklusion profitieren?
Bergweiler: Das ist ein unglaublicher Mehrwert für das Vereinsleben. Denn Menschen mit Handicap bringen viel positive Energie und Engagement mit in den Verein. Sie haben ein hohes Maß an Ehrgeiz und Emotionalität, wenn es um den Sport geht. Inklusion lehrt außerdem Sozialkompetenz. Das gilt für Kindersportgruppen, aber auch Erwachsene können zum Beispiel aus der gegenseitigen Rücksichtnahme lernen.

Und über das Soziale hinaus?
Bergweiler: Inklusion ist für die Vereine eine gute Möglichkeit, Öffentlichkeit zu generieren. Als sozial engagierter Verein wird man positiv wahrgenommen und auch das öffentliche Interesse steigt. Auf der anderen Seite können sich wunderbare und hilfreiche Netzwerke zu anderen Vereinen und Organisationen ergeben. Man wird schnell feststellen, dass man nicht allein ist, wenn man inklusiv Sport treibt.

Viele Vereine engagieren sich mittlerweile auch in der Integration von geflüchteten Menschen. Kann man von ihnen erwarten, dass sie Integration und Inklusion gleichzeitig stemmen?
Bergweiler: Ich bin überzeugt, dass beides möglich ist - vorausgesetzt Politik, dass und der organisierte Sport weiterhin engagiert unterstützen. Letztendlich sind sich beide Bereiche in vielen Punkte sehr ähnlich. Nehmen Sie etwa das Thema Kommunikation: Ob es dem Menschen mit Handicap nur eingeschränkt möglich ist, sich verbal auszudrücken oder der Geflüchtete die Sprache noch nicht spricht - die Herausforderung ist eine ähnliche. Am Ende geht es doch darum, dass im Verein eine vielfältige Sportgruppe zusammen kommt, in der die Menschen voneinander lernen. Ob das Menschen mit Handicap sind, Menschen verschiedenen Alters oder unterschiedlicher Haut- und Haarfarbe, sollte erst einmal keine Rolle spielen.Extra

Michael Bergweiler (34, Foto: Privat) ist seit 2010 Geschäftsführer von Special Olympics Rheinland-Pfalz, der Sportorganisation für Menschen mit geistiger Behinderung. lbe

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