Zuckerhut

Das Wort steht nicht im Duden, doch es beherrscht diese Weltmeisterschaft abseits des Rasens. Selfies - übers weltweite Netz transportierte (Spieler-)Selbstporträts aus mehr oder weniger spannenden Anlässen - haben Hochkonjuktur.

Sie prasseln auf uns nieder. Über twitter, facebook, insta gram. All diese bösen Erfindungen der Neuzeit, die der Fußball-Weltverband gerne klein halten möchte. Es gibt staatstragende Selfies (Poldi nebst Kanzlerin Merkel), witzige (Ronaldo nebst Melone mit dessen Konterfei) und stets wiederkehrende (Spieler A, B, C, die ihre Münder weit aufreißen, um Gelassenheit auszustrahlen). Uns erreichen aber auch traurige Schnappschüsse (Boris Becker mit falschrum aufgemalten Deutschland-Fähnchen im Gesicht). Dinge, die die Welt (nicht) braucht. Und unbedacht zu Zoff führen können. Ezequiel Lavezzi, am Sonntag WM-Finalist mit Argentinien gegen Deutschland, ließ sich am Rande der Achtelfinalpartie gegen die Schweiz in der Kabine mit einem Trikot des argentinischen Drittligisten Club Ferrocarril Midland ablichten, der 100. Geburtstag feierte. Das Problem: Im Hintergrund tankte Pablo Zabaleta unter der Dusche Kraft - selbstredend nackt. Zabaletas Ehefrau soll Berichten zufolge nicht ganz so begeistert reagiert haben. Wo führt das alles hin? Bilder aus dem Flugzeug, der Umkleidekabine, vom Strand - uns droht Selfie-Einheitsbrei von der Stange und damit Langeweile. Deshalb muss da mehr gehen! Bei der EM 2016 erwarte ich Momentaufnahmen aus dem Spiel heraus. Beim Torjubel. Beim Freistoß. Vor dem Elfmeter. Mittendrin, statt nur dabei. Wenn Schiedsrichter neuerdings Spraydosen mit sich führen dürfen, wird wohl irgendwo am Trikot der Spieler noch Platz für ein Smartphone sein.

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