Motorsport Ring-Krimi mit Reifenpoker, Romantik, Spannung und Dramatik

NÜRBURGRING · Nach der Premiere des Zwölf-Stunden-Rennens deutet vieles auf ein bleibendes Motorsport-Spektakel am Nürburgring hin.

 12-Stunden-Renen Nürburgring

12-Stunden-Renen Nürburgring

Foto: Jürgen C. Braun

Es war ein aus der Not geborenes Experiment, aber letztendlich eines, das Aussicht auf Fortbestand und damit auf ein neues Highlight in der langen Geschichte des mittlerweile 96 Jahre alten Nürburgrings hat: Als im ersten Corona-Jahr 2020 ein sogenannter „Double-header“ mit zwei Vier-Stunden-Rennen nacheinander am gleichen Wochenende gefahren wurde, um noch möglichst viele Rennen in der erst Ende Juni begonnenen Saison absolvieren zu können, war das gleichzeitig die Geburtsstunde eines neuen motorsportlichen Großereignisses in der Eifel: ein Zwölf-Stunden-Rennen. Eines, das am späten Sonntagnachmittag  nach 79 Runden mit dem Triumph des Porsche 911 GT3 R von Falken-Motorsport mit Joel Eriksson, Jaxon Evans, Sven Müller und Alessio Picariello vor zwei Audi R8 LMS GT3 endete. Das Konzept der Nürburgring Langstreckenmeisterschaft (NLS) um Renndirektor Michael Bork war klar: Keine zwei eigenständigen Rennen  an zwei Tagen, die dann als Zwölf-Stunden-Rennen „verkauft“ worden wären, sollten es sein, sondern ein in der Nacht unterbrochenes Rennen, das am Sonntagmorgen mit den zeitlichen Abständen der sechsstündigen Hatz vom Samstag wieder aufgenommen werden sollte. 

Der Großteil der Fahrer war am Samstagnachmittag mit einer Mischung aus freudiger Erwartungshaltung und Skepsis ins Rennen gegangen. Nicht nur, dass es bereits im frühen Qualifying mit heftigen Regengüssen, zwischenzeitlichem Sonnenschein und zum Schluss abtrocknender Strecke jede Menge Turbulenzen mit einer noch nie da gewesenen Top Ten gegeben hatte. Kopfzerbrechen bereitete den meisten vor allem das Prozedere mit der Wiederaufnahme des Rennens am Sonntagmorgen aus der Boxengasse heraus.

Bereits vor neun Uhr standen die 115 Fahrzeuge wie an der Perlenschnur aufgereiht fein säuberlich in der Pit Lane, um ab zehn Uhr mit den zeitlichen Abständen des Samstag-Ergebnisses eine gesamte Code-60-Runde auf der 25 Kilometer langen Kombination aufzunehmen. „Wir müssen quasi eine Stunde vorher schon im Auto sitzen und dann noch mal eine komplette Runde spazieren fahren.  Mal sehen, wer von uns den Re-Start fahren muss“, hatte BMW-Pilot Philipp Leisen geunkt, bevor das Feld am Samstag auf die Reise geschickt wurde.

Der Irreler musste mit seinen Teamkameraden Olli Frisse und Jacob Erlbacher vom gewohnten BMW mit der Startnummer eins auf einen ihnen unbekannten 330i aus der Klasse V4 in die VT2 umsteigen. Ihr Fahrzeug war in einer anderen Rennserie in einen Unfall verwickelt. Nach schwierigem und frustrierendem Samstag mit vielen technischen Problemen reichte es für das Trio in der Endabrechnung nur zu Platz vier in der mit zehn Autos besetzten Klasse.

„Eigentlich haben wir keine Chance, keiner von uns kennt das Auto richtig“, hatte das Team von Adrenalin Motorsport schon zuvor keine großen Erwartungen gehabt. Die dringend benötigte volle Punktzahl, um in der Endabrechnung der NLS noch einmal Boden gutmachen zu können, blieb somit ein Wunschtraum. Leisens Meinung: „Entweder man knallt die zwölf Stunden hintereinander durch, startet dann nachts oder man macht zwei Sechs-Stunden-Rennen samstags und sonntags. Aber so macht das keinen Sinn.“

Arno Klasen (Karlshausen), der mit seinem privaten Porsche Cayman mit dem Schweden Eric Ullström in der  VT3 gestartet war, kam dort als Zweiter ins Ziel. Köppen-Motorsport aus Bitburg lag im Porsche Cayman in der Klasse SP4T  zwischenzeitlich auf Position zwei, konnte das Rennen aber wegen eines technischen Defekts nicht beenden. Teamchef Alexander Köppen sprach sich danach zwar für die Beibehaltung eines Zwölf-Stunden-Rennens aus, monierte aber auch, das „regeltechnisch und organisatorisch noch viel Luft nach oben“ sei.

Bei der NLS sprach man in einer ersten Manöverkritik von einem „Rennen mit allen Elementen, die es für einen guten Eifel-Krimi braucht: Reifenpoker bei wechselhaften Bedingungen am Samstag, Nordschleifen-Romantik in den Abendstunden, der Re-Start als zusätzliches Spannungselement, sowie Dramatik im Kampf um den Sieg und am Schluss ein Happy End mit strahlenden Gewinnern.“

Eine Wiederholung im nächsten Jahr erscheint also nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar wahrscheinlich. Und bis dahin bleibt auch noch Zeit, sich mit den Kritikpunkten nach der Premiere zu befassen.

(jüb)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort