Roßkopf auch als Bundestrainer kein Siez-Onkel

Ostrava (dpa) · Jörg Roßkopf ist kein Siez-Onkel. Timo Boll und Co. können den neuen Tischtennis-Bundestrainer weiterhin duzen. Immerhin hat der 41 Jahre alte Coach in den vergangenen Jahren entweder mit seinen Schützlingen in einem Team gespielt oder ist in der Bundesliga gegen sie angetreten.

„Das war nicht immer einfach, auch nicht für mich. Die Spieler müssen mich nicht siezen, aber etwas Distanz sollte da sein. Ob man siezt oder duzt, hat nichts mit Respekt zu tun. Respekt muss man sich erarbeiten“, sagt Roßkopf.

Bei der Europameisterschaft in Ostrava, die am Samstag begann, trägt der Rekordnationalspieler (266 Länderspiele) erstmals als Bundestrainer die Verantwortung für das Herren-Team. Am 1. August trat er die Nachfolge von Richard Prause an, den er zuvor zwei Jahre als Assistent unterstützt hatte. Die Ablösung erfolgte völlig ohne Nebengeräusche. „Wir haben beide die gleiche Philosophie“, erklärt Roßkopf, der vor dem EM-Start mehrmals mit Prause telefoniert hat.

„Bisher bin ich sehr zufrieden, wie es läuft. Im Endeffekt sind die Spieler allein in der Box und in der Pflicht. Aber ich weiß, was auf sie zukommen kann“, sagt Deutschlands „Mr. Tischtennis“. Vom großen Erfahrungsschatz ihres Trainers, der 1989 Doppel-Weltmeister, 1991 Europameister und 1996 Olympia-Dritter war, profitieren die Aktiven. „Ich finde es toll, dass wir so einen jungen Trainer haben und der Verband nicht einen 60-Jährigen als Nachfolger von Prause geholt hat“, erklärt der 22 Jahre alte Dimitrij Ovtcharov.

„Jörg ist ein sehr guter Trainer. Er legt viel Wert auf Fitness“, sagt der EM-Favorit Boll. Während des Vorbereitungslehrgangs in Rotenburg/Fulda floss der Schweiß auch beim Weltranglisten-Zweiten in Strömen. „Das Pensum war am Limit“, findet Boll. „Wir müssen mehr tun, es muss eine Steigerung geben. Das Aufschlag-Rückschlag-Spiel muss kreativer werden“, fordert Roßkopf, auch mit Blick auf die weltweite Dominanz der Chinesen.

Die EM ist für ihn eine Zwischenstation auf dem Weg zu den Weltmeisterschaft 2011 in Rotterdam und zu den Olympischen Spielen 2012 in London. Bis dahin ist auch der Vertrag des Hessen datiert. Sein erstes Länderspiel absolvierte Roßkopf 1985, seine erste internationale Medaille holte er 1988 bei der EM in Paris. Schon damals hielt der 18-jährige EM-Dritte nichts von übertriebenen Konventionen. „Ihr könnt mich alle duzen“, bot er den Medienvertretern bei der anschließenden Pressekonferenz an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort