Ryder Cup - Patriotismus, Prestige und Golf-Hooligans

Chicago (dpa) · Der Ryder Cup hat auch vor seiner 39. Auflage nichts an Mythos, Magie und Manie eingebüßt. Der Medinah Country Club nordwestlich von Chicago ist von Freitag an Schauplatz des Golf-Spektakels, das alle zwei Jahre die Massen elektrisiert.

Wenn sich die Teams der USA und Europa bei diesem Prestige-Duell auf amerikanischem Boden gegenüberstehen, geht's besonders heiß her. Dann werden Club-Etikette schon mal vernachlässigt. Auch martialische Wortwahl ist keine Seltenheit.

„Beim Ryder Cup gegen Europa zu spielen ist für mich so wichtig wie mein Vaters Kriegseinsatz in Vietnam“, sagte US-Profi Bubba Watson vor zwei Jahren, als sich beide Teams in Wales gegenübergestanden und die Gastgeber um Martin Kaymer 14,5:13,5 gewannen. Im „Golf-Channel“ meinte Expertin Kelly Tilghman einst gar, dass die „Last der gesamten Welt auf den Schultern des amerikanischen Ryder Cup-Teams“ liege.

Besonders in Erinnerung geblieben sind die Ryder Cups 1991 und 1999. Vor 21 Jahren war ausgerechnet Bernhard Langer der Leidtragende. Fünfmal war Deutschlands Golfstar zuvor bereits beim Ryder Cup dabei gewesen, hatte 1985 das Masters in Augusta gewonnen und galt als einer der besten Spieler der Welt. Doch als es in Kiawah Island/South Carolina auf ihn ankam, versagten Langer die Nerven. Im letzten und entscheidenden Duell des Tages gegen Hale Irwin verpasste der Anhauser am 18. Loch einen Putt aus zwei Metern, der Europa zur Titelverteidigung gereicht hätte.

Langer kämpfte anschließend mit den Tränen, ein ebenso fassungsloser Irwin betonte, „es tut mir so leid für Bernhard“, während es um ihn herum „USA, USA“ hallte. Der Wettkampf war im US-Fernsehen als „War by the shore“ (Krieg an der Küste) hochstilisiert worden, Amerikas Corey Pavin trug gar eine Baseballmütze mit der Aufschrift „Desert Storm“ in Anlehnung an die gleichnamige Offensive der US-Armee im Irak wenige Monate zuvor.

Acht Jahre später ging der Kontinentalvergleich als „Battle of Brookline“, die Schlacht von Brookline, in die Geschichtsbücher ein. Europa ging im Vorort von Boston mit einer 10:6-Führung auf die Schlussrunde, brauchte aus den zwölf Einzelmatches am Sonntag lediglich vier Siege für die Titelverteidigung. Die Gastgeber um Tiger Woods holten jedoch vor den Augen des späteren US-Präsidenten George W. Bush und Basketball-Legende Michael Jordan auf und schafften durch das größte Comeback der Ryder Cup-Geschichte noch einen 14,5:13,5-Sieg.

Für den entscheidenden Punkt sorgte Justin Leonard. Als ihm am 17. Loch aus 15 Metern ein Birdie gelang, verloren die US-Spieler sämtliche Contenance, stürmten samt Ehefrauen und Caddies quer über den sensiblen Rasen zu Leonard, obwohl dessen Gegner, José Maria Olazabal, noch an der Reihe war und mit einem Birdie hätte ausgleichen können. Der Spanier musste sieben Minuten warten, ehe er seinen Versuch spielen konnte. Erst als der Ball links am Loch vorbeiging, war Europas Niederlage perfekt.

Frank Hannigan, der langjährige Direktor des US Golf-Verbandes, sprach anschließend in der „New York Times“ von „der Ankunft der Golf-Hooligans.“ Er kritisierte die amerikanischen Spieler, den Veranstalter und die Fans. Letztere hatten Europas Team-Kapitän Mark James bespuckt und dessen Frau übel beleidigt. „Die Linie der Zivilisation wurde übertreten mit einem vergifteten Mix aus Gier, Alkohol, Hurra-Patriotismus und schlechtem Geschmack“, so Hannigan.

In diesem Jahr ist Olazabal Europas Kapitän. Das Wichtigste, sagt er, sei die Leidenschaft, die jeder für den Sport mit ins Team bringe. „Die Spieler sollen merken, dass es beim Ryder Cup Momente gibt, die bei keinem anderen Turnier passieren.“ Er muss es wissen.

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