Seiltänzer der Moderne zwischen Bäumen und Felsen

Münster (dpa) · Die Seiltänzer der Moderne brauchen keine große Ausrüstung. Zwei Bäume oder Pfosten als Fixpunkte und das Band dazwischen reichen aus, um als Slackliner durch die Luft zu balancieren, um der Schwerkraft ein Schnippchen zu schlagen.

Ob im Park oder zwischen den Häuserschluchten der Stadt, ob in Meeresbuchten oder Gebirgsketten - räumliche Grenzen für die Sportart mit amerikanischem Ursprung scheint es keine zu geben. „Man sieht die Welt aus einem Blickwinkel, den noch keiner zuvor hatte“, sagt Slackline-Weltrekordhalter Lukas Irmler. Was er meint: Nur wenige stehen in den Bergen über Kapstadt zwischen zwei Felsen, so wie er.

Südafrika, Österreich, Frankreich - für den 23 Jahre alten Chemie-Studenten aus Freising bei München ist Slacklinen der Schlüssel zur weiten Welt geworden. Mit 262 Metern hat er im April seinen eigenen Distanz-Weltrekord um acht Meter verbessert. „Das Medieninteresse und deshalb auch das der Sponsoren ist momentan riesig“, sagt Irmler. Für die Geldgeber reist er immer wieder durch die Welt und demonstriert wahnwitzig scheinende Kunststücke - obwohl er nirgendwo offiziell als Weltrekordler geführt wird. Es handele sich um eine „in der Szene anerkannte“ Bestmarke, sagt Irmler.

„Slacklinen boomt seit zwei Jahren.“ Habe er vor einigen Jahren noch Kommentare wie „Das ist ja wie Schwebebalken“ zu hören bekommen, heiße es jetzt immer häufiger: „So ein Band hat mein Nachbar auch im Garten.“

Die Slackline, ein Kunstfaserband ähnlich einem Spanngurt für Lastwagen, ist zwischen zweieinhalb und fünf Zentimetern breit. Mit Spannvorrichtungen befestigen die „Slacker“ ihr Sportgerät an allem, was ihr Gewicht trägt: Wände, Felsvorsprünge und vor allem Bäume. „Man versucht, die Slackline an besonderen Orten zu nutzen, um eine immer noch schönere Atmosphäre zu bekommen“, sagt Daniel Mauser.

Wie Lukas Irmler hat Mauser den Ruf eines Slackline-Pioniers in Deutschland. „Wir sind bekannt, weil wir von Anfang an Videos ins Netz gestellt haben“, sagt der 26-Jährige. So verbreiten sich die Tricks in der Szene, und aus Park-Helden werden national anerkannte Slacker-Größen. „Youtube und Slacklinen gehört zusammen.“

Der Medizinstudent aus Gießen betreibt den Sport in erster Linie für sich selbst. „Mir geht es nicht um die große Aufmerksamkeit, sonst müsste ich bei den ganzen Events auftreten“, sagt er. Der Slackline-Handbuch-Autor will vor allem Perfektion erreichen: „Ich habe etwas im Kopf und will es dann genauso zeigen.“

Das größte Live-Publikum haben allerdings die „Trickliner“ bei ihren Shows und Wettkämpfen. Möglichst kreativ, möglichst schnell und möglichst innovativ machen sie auf einer Slackline nahezu alles. „Da muss man verrückt sein. Sonst hätte ja niemand versucht, auf einem Seil einen Rückwärtssalto zu springen“, sagt Irmler. 2010 gab es die erste Weltmeisterschaft, veranstaltet von einem Slackline-Ausrüster. Titelträger ist der 15 Jahre alte Maurice „Momo“ Wiese aus Hofheim in Hessen.

Für Mauser gehört der Weltmeister zur neuen „Spaß-Generation“, die in erster Linie viel erleben möchte und von ihren Sponsoren und Ausrüstern umfassend vermarktet wird. Gemein ist den Slackern aber ihre weitgehende Unabhängigkeit und die Freiheit auf dem Band. „Es gibt keine Trainer, jeder sucht sich seinen eigenen Style“, sagt Irmler. „Kein Slacker will so steif werden wie die Turner, die sich in einem ganz engen Rahmen bewegen.“

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