Steffen: „Scham“ von China folgt Lust auf London

Berlin (dpa) · Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen hat ihre WM-Abreise verteidigt und nach langem Schweigen einen Einblick in die beim Titelkampf-Aus verletzte Schwimmer-Seele gegeben.

„Was ich in Shanghai empfunden habe, waren Peinlichkeit, Schwäche und Scham“, sagte die in China entthronte Weltmeisterin in Berlin. „Ich glaube, dass ich gestraft genug bin mit dieser WM.“ 49 Tage nachdem sie die Titelkämpfe fluchtartig verlassen hatte, stellte sich Steffen im Olympiastützpunkt in Berlin-Hohenschönhausen erstmals wieder den Medien. Dabei sprach die ehemalige Weltmeisterin auch über die Lehren auf dem Weg zu Olympia 2012 in London - und sie versuchte Antworten auf die vielen Fragen aus Shanghai zu geben.

„Das Team war so sehr mit mir befasst, dass ich dachte, sie sollen sich auf ihre eigenen Rennen konzentrieren“, sagte Steffen und führte auch Rücksicht auf ihren in Shanghai dreimal mit Bronze dekorierten Freund Paul Biedermann an. „Paul ist mir nicht von der Seite gewichen, hatte Angst, dass ich allein bin. Ich hatte Angst, dass er sich nicht auf sich konzentriert.“

Die 27-Jährige hatte am 28. Juli nach schlechter Vorlauf-Leistung trotz Staffel-Bronze ihre weiteren WM-Starts in Shanghai abgesagt und sich nach dem Ende der Titelkämpfe nicht mehr geäußert. Über die genauen Umstände ihrer WM-Abreise hatte es in China Verwirrung und widersprüchliche Aussagen gegeben. Steffen legte in Berlin eine detaillierte Zeitbeschreibung vor und betonte, dass sie Leistungssportdirektor Lutz Buschkow und Bundestrainer Dirk Lange vor dem Abflug informiert habe - in den zehn Stunden Wartezeit am Flughafen habe sich keiner von beiden noch bei ihr gemeldet.

Natürlich habe sie das Bedürfnis gehabt, die Sache früher darzustellen, sagte Steffen, aber dies jetzt in Berlin zu tun, sei wegen eines Sponsorentermins „strategisch günstiger“ gewesen. Für die Reise in die Hauptstadt unterbrach die Schwimmerin das dreiwöchige Höhentrainingslager des deutschen Nationalteams in Spanien für einen Kurz-Trip. Die Termine an der Spree hätten schon vorher festgestanden.

Für eine Entschuldigung sieht die Doppel-Olympiasiegerin, die sich vom Team „herzlich“ und „normal“ aufgenommen fühlte, keinen Grund. Allerdings räumte Steffen ein, „in dieser emotionellen Situation überhastet“ reagiert zu haben. „Ich wusste mir nicht anders zu helfen. Ich glaube, dass es so ist, dass Menschen unsicher sind bei Niederlagen“, erklärte die „Sportlerin des Jahres“ von 2008, die durch den Rückschlag in China noch stärker werden will für Olympia in London. „Wenn ich gesund durchkomme, kann ich wieder die Super-Britta werden.“ Auf dem Weg zu den Spielen möchte Steffen sich anders als vor Shanghai mehr Wettkämpfen stellen. Der erste ist der Kurzbahn-Weltcup Ende Oktober in Berlin.

Offen ist, wie der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) auf Steffens Aussagen reagieren wird. Vor der Steffen-Pressekonferenz hatten die Verbandsverantwortlichen keine Stellung bezogen. Sanktionen wegen Steffens Verhalten standen allerdings im Raum. „Ich bin gespannt, wie sie sich äußern werden“, sagte die Schwimmerin.

Mit einer symbolischen Geldstrafe oder Wettkampfsperre für Steffen könnte der DSV signalisieren, dass auch seine Spitzenathleten sich an die Verbandsregeln halten müssen. Auf die Athletenvereinbarung beispielsweise berief sich der Verband bei Biedermann. Weil dieser nur mit den Werbezügen seines Privatsponsors vor die TV-Kameras wollte, DSV-Präsidentin Christa Thiel aber einen Auftritt in Kleidung des Teamsponsors einforderte, fand ein ARD-Interview nicht in, sondern vor der Halle statt. Wegen der wenig schönen Bilder war die ARD alles andere als begeistert.

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