Steiners Leiden auf der Couch

Hamburg (dpa) · Die stärksten Männer der Welt suchen ihren Meister. Eigentlich gehört Gewichtheber-Olympiasieger Matthias Steiner zu diesem illustren Kreis. Doch der Hüne fehlt bei den Titelkämpfen in Paris. Wie geht er damit um? Was wird aus Olympia?

Wenn am Sonntagnachmittag die stärksten Männer der Welt unter der Last von fast fünf Zentnern Eisen ächzen, sitzt Matthias Steiner auf dem heimischen Sofa. Kaffee und Gebäck sind nicht weit, ebenso die Fernbedienung des Fernsehers. Entspannt allerdings verfolgt der Olympiasieger den Wettkampf der superschweren Gewichtheber bei den Weltmeisterschaften in Paris via TV nicht. Der Muskelmann muss tatenlos zuschauen und wird leiden. „Ich ärgere mich über die Situation“, bekennt der 29 Jahre alte Heidelberger.

Steiner ist nach der Operation am linken Knie noch bis Jahresende außer Gefecht gesetzt. Die Quadrizepssehne im linken Bein, die Kniescheibe und Oberschenkelmuskel verbindet, war im September eingerissen. „Ich hatte mich optimal auf die WM vorbereitet und war super drauf. Deshalb ist die Verletzung ein besonders harter Rückschlag“, sagt der Olympia-Held von Peking, der vor gut drei Jahren selbst den Ruhm von Fußball- und Rennfahrer-Millionären verblassen ließ und die Herzen der Zuschauer im Sturm eroberte.

Weil Steiner aber sein Ziel Olympische Spielen in London nicht aus den Augen verloren hat, quält er sich täglich. „Sechs Stunden am Tag werde ich am Olympia-Stützpunkt Heidelberg betreut“, erzählt der 145-Kilo-Recke. Krankengymnastik, Oberkörper- und Beintraining sind angesagt. „Was du nicht regelmäßig trainierst, verkümmert. Das Knie macht soweit mit. Ich kann in die Hocke gehen. Kniebeugen mit Gewicht gehen aber noch nicht.“ Das Hanteltraining muss bis Januar warten.

Ob er es bis zu den Europameisterschaften im April in Antalya schaffen wird, ist zu bezweifeln. „Wenn ich zur EM fahre, dann will ich konkurrenzfähig sein. Davon kann man derzeit nicht ausgehen. Denn dreieinhalb Monate sind zu wenig, um auf Top-Niveau zu kommen.“ Folglich müssten seine Kollegen die Kohlen aus dem Feuer holen. Denn bei den Pariser Weltmeisterschaften laufen sie ohne Frontmann Steiner Gefahr, aus der Wertung der besten 24 Nationen zu fallen. Damit wären die drei Olympia-Startplätze, die Deutschland bislang innehat, futsch.

Die letzte Qualifikationschance besteht dann bei den Europameisterschaften. Dort gibt es jedoch nur noch ein Ticket. „Nationen, die bis dahin schon qualifiziert sind, fallen ja aus dem Raster. Folglich wäre es leichter, den Platz zu holen“, meint Steiner gelassen. Wer diesen belegen darf, steht außer Frage. Steiner ist der einzige deutsche Gewichtheber, der in London eine Medaille holen könnte. Misslingt aber die Qualifikation, muss der gebürtige Österreicher auf eine Wildcard durch den Weltverband hoffen. Schließlich ist er Vizeweltmeister 2010.

„Eigentlich kann man nicht an mir vorbeigehen. Es dient doch der Spannung, wenn die Großen am Start sind“, beteuert er. „Ich möchte aber keine Geschenke. Denn ich will nicht 14. oder 15. werden. Wer schon mal bei Olympischen Spielen oben war, hat andere Ansprüche.“

Weil Trainingslager, Bundesliga und andere Aktionen aus dem Maßnahmenkatalog der Eisenschinderei derzeit Pause haben, nutzt Steiner die Zeit. „Ich beschäftige mich intensiver mit der Familie. Das ist auch sehr schön“, verrät er. Ehefrau Inge und der 20 Monate alte Sohn Felix sind gewissermaßen Teil der Therapie. Steiner: „Ich will mehr rausholen aus der Genesung.“

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