Terroropfer als Paralympics-Star: Martine Wright

London (dpa) · Bei den Terroranschlägen in London 2005 verlor sie beide Beine. Jetzt ist Martine Wright bei den Paralympics in London im Sitzvolleyball dabei. Sie will damit auch anderen behinderten und nicht-behinderten Menschen Mut machen.

Martine Wright glaubt nicht mehr an Zufälle. Auf die allerletzte Minute springt sie am 7. Juni 2005 in die U-Bahn zur Arbeit, die Tür geht schon zu. Normalerweise nimmt sie eine andere Linie in die Innenstadt, aber sie ist spät dran. Am Abend vorher hat sie den Zuschlag für London für die Olympischen Spiele 2012 gefeiert. Sie liest gerade in der Zeitung darüber, als sie plötzlich weiße Blitze sieht.

Sie sitzt nur ein paar Meter entfernt von einem der Attentäter, die an diesem Tag Bomben in Londons Berufsverkehr zünden und 52 Menschen töten. Ihre Beine müssen amputiert werden. Sieben Jahre später ist Martine Wright bei den Paralympics in London im Sitzvolleyballteam dabei.

Die 39-Jährige hat in wenigen Jahren Unglaubliches geschafft, ihr Schicksal hat für ihre Landsleute ungeheuren symbolischen Wert. Nachdem sie ihren Lebensmut zurückgewonnen hatte, begann sie den äußerst langwierigen und schmerzhaften Prozess, auf Prothesen laufen zu lernen. Sie heiratete ihren Freund, das Paar hat heute einen dreijährigen Sohn. Sie zogen aufs Land, Wright überwachte die Renovierung des Bungalows. Und dann berichtete ihre Physiotherapeutin ihr von Sportwettkämpfen für amputierte Menschen im Krankenhaus in Stoke Mandeville, der Wiege der Paralympics.

„Ich habe Sitzvolleyball ausprobiert und gedacht: Wow, das macht mir wirklich Spaß“, sagte sie der Zeitung „The Guardian“. Sie schloss sich in London einer Gruppe an, und wurde schließlich ins erste paralympische Sitzvolleyball-Damen-Team, das es je gab, aufgenommen. „Ich kann alle diese Zeichen auf dem Weg dahin, wo ich jetzt bin, irgendwie nicht ignorieren. Ich glaube, ich war immer dafür bestimmt.“ Heute ist sie dankbar, dass sie überlebt hat. „Ich habe so viele Möglichkeiten.“

Neben persönlicher Stärke und der Unterstützung ihrer Familie hat auch die Behindertenförderung im Königreich einen Teil dazu geleistet. Vieles sei in den vergangenen Jahren für Menschen mit Behinderung einfacher geworden, die Akzeptanz in der Gesellschaft sei gewachsen, betonen Kommentatoren mit eigener persönlicher Erfahrung derzeit. Die Briten selber stürzen sich voller Begeisterung auf die Paralympics. Nicht zuletzt, weil Großbritannien durch den Einsatz in Afghanistan fast täglich mit verwundeten Soldaten konfrontiert wird, ist das Interesse an den Leistungen der Athleten groß.

Doch Verbände fürchten nun, dass es nach all dem, was geschafft wurde, Rückschritte geben wird. Im Rahmen ihres Sparprogramms kürzt die Regierung die Behindertenförderung, unter anderem fallen künftig Gelder für Transport und Taxis weg. Dabei ist Gleichberechtigung für die rund elf Millionen Menschen mit Behinderung im Königreich trotz gesetzlicher Festlegung noch lange nicht erreicht. Zahlen der Regierung zufolge ist es für sie weiter schwer, einen Job zu bekommen und dort dann auch Karriere zu machen. Einer von dreien lebt den Zahlen zufolge in Armut. Die Hoffnung ist, dass die Paralympics nun die Aufmerksamkeit stärker auf die Probleme behinderter Menschen richten.

Für Wright ist diese Hoffnung einer der Anreize, der sie zu ihren Höchstleistungen bewegt. Auch will sie anderen Menschen, deren Leben durch Schicksalsschläge auf den Kopf gestellt wurde, helfen: „Wenn irgendwer da draußen daraus ein bisschen Kraft ziehen kann - und wenn es nur ein oder zwei Leute sind - dann habe ich meine Arbeit getan.“

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