Turn-Zoff in Niederlanden, WM-Entsetzen in London

Tokio (dpa) · Im niederländischen Turner-Team fliegen die Fetzen, in Großbritannien herrscht Entsetzen, in der Schweiz Tristesse. Die verpassten Olympia-Tickets bei der Weltmeisterschaft in Tokio haben in traditionellen Turn-Nationen heftige Reaktionen ausgelöst.

Bei den Holländern ist die Situation so außer Kontrolle geraten, dass sich die Verbandsspitze inzwischen einen Maulkorb verordnet hat. Eskaliert waren die Spannungen, nachdem die Männer um den einst gesperrten Kokain-Sünder und Ex-Ringe-Weltmeister Yuri van Gelder nach Rang 19 keinerlei Chance mehr auf die London-Fahrkarten haben. Der japanische Coach der Riege, Sadao Hamada, hatte sich danach Leitwolf Jeffrey Wammes als Sündenbock auserwählt.

„Es ist kein Olympier: Er lebt nicht wie ein Olympier, er trainiert nicht auf wie ein Olympier, er verhält sich nicht wie ein Olympier“, kritisierte Hamada die Lebensweise des extrovertierten Sprung- und Boden-Spezialisten. Wammes, der in der Bundesliga auch schon für den Ex-Meister KTV Straubenhardt turnte, käme zu spät zum Training, mache Urlaub, wann er wolle, sei nicht diszipliniert.

In der entscheidenden Phase des Vorkampfes hatte Wammes nach drei Disziplinen vorn mitgemischt, am Boden aber gepatzt und dann die letzten beiden Geräte aus Sicht des Coaches viel zu lax geturnt. „Hamada ist mit 64 Jahren viel zu alt als Coach“, konterte Wammes, ruderte aber inzwischen wieder zurück und bezeichnete seine Bemerkung als den „Emotionen des Augenblicks“ geschuldet.

Auch im britischen Team, im Vorjahr in Birmingham noch EM-Vize hinter der deutschen Riege, hängt der Haussegen schief. „Ich kann mir das nicht erklären. Die Vorbereitung lief gut. Ich wollte hier ein großes Comeback nach Verletzungspause feiern“, entschuldigte sich Daniel Keatings, der Mehrkampf-Vizeweltmeister von London 2009, für seine Abstürze an Barren und Reck.

Von „einer Riesenenttäuschung“ sprach Sport-Direktor Tim Jones, nachdem die Olympia-Gastgeber als Zehnte die für die Qualifikation nötigen Top 8 verpasst hatten. „Niemand konnte erwarten, dass das Team so viele Fehler macht“, beklagte Jones. Es sei dem Verband ein Riesen-Schaden entstanden, der aber bei der zweiten Olympia-Qualifikation in London noch reparabel sein.

Nichts mehr zu machen ist für die Schweizer. Nach den Frauen (18.) müssen nun auch die Männer (17.) alle Olympia-Träume begraben. Sie dürfen nicht einmal wie die Briten bei der zweiten Qualifikation im Januar 2012 antreten. Kein Wunder, dass Cheftrainer Bernhard Fluck nun „personelle Veränderungen“ im Team ankündigte.

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