Turnerin Chusovitina rettet Bilanz: Drittes EM-Silber

Brüssel (dpa) · Cheftrainerin Ulla Koch nahm sie sofort in die Arme, aber Oksana Chusovitina schüttelte nur den Kopf. Erst als die meisten Konkurrentinnen nicht ganz fehlerfrei über den Sprungtisch kamen, ging ein Lächeln über ihr Gesicht.

Einmal mehr hat ausgerechnet die Turn-„Oma“ mit Silber am Sprungtisch die deutsche Bilanz bei den Europameisterschaften in Brüssel gerettet. „Es lief ganz gut, ich kann insgesamt zufrieden sein“, meinte „Chuso“, nachdem sie ihre Sprünge nicht ganz perfekt in den Stand gebracht hatte und mit 14,683 Punkten der Titelverteidigerin Sandra Izbasa aus Rumänien (14,883) den Sieg überlassen musste.

Später verriet sie strahlend: „Mein Mann saß heute erstmals auf der Tribüne, da musste ich ja etwas bieten. Bisher hatte es nie geklappt, dass er dabei sein konnte.“ Für Chusovitina war es die 17. Medaille bei Olympia, WM und EM. Neben elf WM-Plaketten (3/4/4) und zwei Olympia-Medaillen (1/1/0) hat die gebürtige Usbekin nach ihrer Einbürgerung in Deutschland 2006 nun auch viermal EM-Edelmetall (1/3/0) beim Sprung erkämpft. „Jetzt werde ich mich in Ruhe auf London vorbereiten und versuchen, einen zweiten starken Sprung einzustudieren. Mein Ziel ist eine Olympia-Medaille“, verkündete sie.

Vor vier Jahren in Clermont-Ferrand hatte „Chuso“ für die Premiere mit dem ersten EM-Gold der DTB-Turnerinnen und damit nach 27 Jahren für den ersten Turn-Titel einer Deutschen nach den großen Zeiten der Ostberlinerin Maxi Gnauck gesorgt. „Die Verletzungsprobleme vom Beginn des Jahres sind endlich überstanden. Dank an alle Ärzte“, meinte die routinierteste Turnerin der Weltelite, die in London mit ihrer sechsten Olympia-Teilnahme einen Rekord aufstellen will. Nach den Spielen soll ihre sagenhafte, 24 Wettkampfjahre lange Karriere enden.

Noch fünf Tage vor ihren Silbersprüngen hatte Chusovitina unverrichteter Dinge abreisen wollen, weil ihr das Sprungbrett im Training zu weich war. „Ich hatte da echte Probleme“, gestand sie. Erst als man ihr entgegen kam und ein viel härteres Brett genehmigte, ließ sie sich umstimmen und legte mit dem Bestwert im Vorkampf die Grundlage für ihr starkes EM-Adieu. „Auch heute war mir das Brett immer noch zu weich. Aber es ist ja gut gegangen“, fügte sie an.

Tags zuvor hatte sie den Absturz der bei der WM noch sechstplatzierten deutsche Riege nicht verhindern können. Beim sechsten Titelgewinn der Rumäninnen kamen die Deutschen nach Patzern an Barren und Balken nicht über Platz acht in der Team-Konkurrenz hinaus. „Wir haben uns fast ein bisschen blamiert. Heute lief es schon wieder viel besser“, sagte Cheftrainerin Ulla Koch erfreut. „Jetzt heißt es kämpfen. Oksana wird in London turnen, wenn sie fit ist. Für alle anderen geht es in den kommenden Wochen um alles.“

Zum doch noch einigermaßen versöhnlichen EM-Resultat trugen auch Kim Bui (Stuttgart) und Lisa-Katharina Hill (Chemnitz) mit den Rängen vier und sechs im Barren-Finale bei. Hill hatte überraschend starten dürfen, weil die Rumänin Larisa Iordache auf ihren Finalplatz verzichtet hatte. Weltmeisterin Victoria Komowa aus Russland turnte allerdings in einer anderen Liga und hatte als Siegerin fast einen Punkt mehr auf ihrem Konto als Kim Bui.

Für ein Sternstunde der Deutschen sorgte die 15-jährige Sophie Scheder, die sich als erste Juniorin des Deutschen Turner-Bundes den EM-Titel sicherte. Allerdings stand der Triumph der Chemnitzerin am Barren erst nach einem Protest der Teamleitung wegen einer fehlerhaften Note für die Schwierigkeit fest.

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