US-Kommission: FINA verschleppt Fall Crippen

Lausanne (dpa) · Vor einem halben Jahr wurde der Schwimmsport von einer tödlichen Tragödie erschüttert - Konsequenzen gab es bisher fast keine. Dabei hatten nach dem Drama um Francis Crippen (USA) im Oktober alle nach Änderungen gerufen.

Beim Finale um den Marathon-Weltcup im Freiwasserschwimmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten war der 26-Jährige gestorben. Die Umstände sind auch kurz vor Beginn der neuen Weltcupsaison offiziell nicht bekannt. Nun erhebt der Vorsitzende einer vom US-Schwimmverband eingesetzten Untersuchungskommission, Richard Pound, schwere Vorwürfe gegen den Weltverband FINA und spricht von „Verschleppungstaktik“.

Auch von deutscher Seite gibt es Kritik - wegen fehlender Konsequenzen nach dem Unglück. „Die von der FINA vorgeschlagenen Änderungen sind bislang eher als recht gering einzustufen“, erklärt Freiwasser-Cheftrainer Stefan Lurz. Sein Bruder Thomas gewann damals das verhängnisvolle Rennen. „Es muss einfach mehr für die Sicherheit getan werden“, sagt der mit neun WM-Titeln erfolgreichste Freiwasserschwimmer. Am 17. April startet die diesjährige Serie in Santos (Brasilien) über die olympische Zehn-Kilometer-Distanz. Zur Erinnerung an Crippen trägt die Serie nun seinen Namen.

Der Fall des Amerikaners hatte auch die Deutschen im Winter beschäftigt. Anfang Februar weilten die Würzburger Lurz-Brüder in Lausanne am Sitz des Weltverbandes, um vor der nach dem Unglück gegründeten Task Force auszusagen. Deren Bericht wurde von der FINA-Exekutive in der vergangenen Woche aber mit der Bitte um „Überarbeitung“ an die Kommission zurückgegeben. Nun soll dieser Report über den ersten Todesfall in einem FINA-Wettbewerb erst bei der WM in Shanghai (16. bis 31. Juli) veröffentlicht werden.

Eine Tatsache, die vor allem den US-Verband erzürnt. Der hatte nach dem Tod des WM-Dritten über zehn Kilometer von 2009 ebenfalls eine Untersuchungskommission eingesetzt mit dem ehemaligen IOC-Vizepräsidenten und WADA-Chef Pound an der Spitze. Trotz mehrfacher Anfragen an die FINA erhielt der Sportfunktionär keine Antworten. „Wir sind sehr, sehr enttäuscht, dass die FINA uns nicht geantwortet hat. Dies ist einfach unerklärlich“, betont der 69 Jahre alte Jurist. Die FINA wies das zurück und erklärte am Donnerstag, die Task Force dürfe alle Informationen mit der US-Kommission austauschen.

So seien seiner Kommission bislang offizielle Berichte und Dokumente über das Rennen von der FINA und den zuständigen Behörden der Emirate vorenthalten worden, klagt Pound. Allerdings räumte Pound in einer Telefon-Pressekonferenz ein, dass die Todesursache ihm bekannt sei, ohne Zustimmung der Hinterbliebenen von Crippen aber kein Obduktionsbericht veröffentlicht werden könne. „Es scheint aber ziemlich klar zu sein, dass er aufgrund der Hitze das Bewusstsein verloren hat und dann untergegangen ist“, erklärte er.

Schon deshalb wäre es sinnvoller nur bei Temperaturen zwischen 18 und 28 Grad zu schwimmen, sagt Thomas Lurz. Damals gab es gar Stimmen, die betont hatten, dass die Wassertemperatur über 30 Grad betragen habe - offiziell wurde weniger gemessen.

Bislang gab es kaum Konsequenzen. Lediglich der für das Rennen eingeteilte Technische Delegierte aus Litauen wurde für zwei Jahre von seinen Ämtern im FINA-Komitee für Freiwasserschwimmen suspendiert. Er gilt eher als Bauernopfer.

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