Wachablösung im Gange: Seitz bedrängt „Queen Mum“

Berlin (dpa) · Als Oksana Chusovitina 1992 Olympia-Gold holte, war Elisabeth Seitz noch gar nicht auf der Welt. Und an die heute 15 Jahre alte Nadine Jarosch hatten damals wahrscheinlich noch nicht einmal ihre Eltern gedacht.

Auch wenn Cheftrainerin Ulla Koch keine Gelegenheit auslässt zu betonen, wie wertvoll die große „Chuso“ noch immer für die deutsche Riege ist, so vollzieht sich doch langsam die Wachablösung.

Elisabeth Seitz, 17 Jahre jung, unbekümmert und ebenso schwierig wie elegant turnend, bringt das deutsche Team langsam auch in die Nähe der Medaillenränge. Gleich dreimal steht sie am Wochenende bei den Europameisterschaften in Berlin im Finale und verhalf den Deutschen damit zur besten Bilanz seit 1987. Sie übernahm damit eine Rolle, die seit ihrem Wechsel aus Usbekistan nach Deutschland 2006 fast ausschließlich die schier unverwüstliche Chusovitina innehatte.

„Turn-Oma“ oder „Queen Mum“ wird sie in der Szene respektvoll genannt: Nie zuvor turnte eine Athletin im Alter von 35 Jahren so weit vorn in der Weltspitze. Mit fünf Olympia-Teilnahmen ist sie Rekordhalterin, doch selbst nach den sechsten Spielen in London 2012 soll noch nicht Schluss sein. „In London bin ich 37. Danach kann ich eigentlich auch noch mal mitmachen“, kokettierte sie vor Journalisten. 2008 holte sie beim Sprung das erste Gold für DTB-Frauen bei Europameisterschaften, 2008 Silber bei Olympia in Peking. Insgesamt hat sie schon acht internationale Medaillen in ihrer Spezialdisziplin Sprung gewonnen.

Sie fühle sich noch „wie 18“, betont Chusovitina. Doch nach zwei schweren Verletzungen an der Achilles- und der Bizepssehne in den zurückliegenden Jahren spürte man schon, wie schwer es der „Grande Dame“ des Turnens fällt, sich in die Spitze zurückzukämpfen. Bei der EM und WM sprang sie im Vorjahr am Finale vorbei. Zur WM in Rotterdam weilte sie im Vorjahr erstmals in Doppelfunktion: Als Turn-Profi und Cheftrainerin der usbekischen Riege.

„Sie ist jetzt meine Kollegin und auch meine Konkurrentin - aber nach wie vor auch meine Turnerin“, brachte es Ulla Koch auf den Punkt. „Das Verhältnis hat sich deshalb nicht geändert.“ Natürlich räumt sie ihrer Star-Turnerin nun Sonderrechte ein. Chusovitina musste nicht mit ins Trainingscamp nach Berlin reisen, durfte sich in Bergisch-Gladbach vorbereiten und nebenbei die Usbekinnen betreuen. „Sie muss sich um ihre Zukunft kümmern, als Turnerin kann man nicht reich werden“, sagte die Chefin.

Etwas verwundert blickte Nadine Jarosch, als sie in der Mixed-Zone gefragt wurde, was sie sich denn bisher von Oksana abgucken konnte. Gelegenheit dazu hatte das Küken der Mannschaft kaum. In Berlin stellte sich „Chuso“ aber voll in den Dienst des Teams, kletterte sogar auf den Stufenbarren und präparierte für Seitz die Holme.

Die zierliche Mannheimerin hatte schon in Birmingham und Rotterdam Chusovitinas Rolle als „Alpha-Tier“ der Riege übernommen. Immerhin erreichte sie bei WM und EM 2010 als einzige Deutsche die Finals und machte nun in Berlin den Final-Hattrick am Stufenbarren perfekt. Auch die drei Finalplätze bei Europameisterschaften hatte ihr Oksana Chusovitina vorgemacht. Die Wahl-Kölnerin kam 2007 in Amsterdam neben dem Mehrkampf auch in die Medaillen-Entscheidung am Sprung und am Boden.

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