WM-Silber für Boll-Team - 1:3 gegen China

Moskau (dpa) · Spektakuläre Topspins, trickreiche Aufschläge und eine Gala-Show von Timo Boll: Der deutsche Ausnahmekönner und seine Kollegen Dimitrij Ovtcharov und Christian Süß versuchten alles. Doch der Tischtennis-Riese China wankte zwar, fiel aber nicht.

Der dreifache Europameister verlor das Traum-Finale der Team-WM in Moskau nach harter Gegenwehr mit 1:3 gegen den nunmehr 17- maligen Rekordchampion. Der scheidende Bundestrainer Richard Prause und die Spieler konnten sich über Silber zum Abschied nicht so richtig freuen.

„Wir haben eine große Leistung gezeigt und den Chinesen nicht mehr zugeschaut, sondern mitgespielt. Jetzt müssen wir noch lernen, unsere Chancen zu nutzen“, kommentierte Boll. Ihm gelang der Ehrenpunkt gegen das Star-Ensemble. Dass viel mehr drin war, verhehlte auch Prause nicht: „Das Ergebnis ist schwer zu beurteilen. Mit etwas Abstand werde ich mich auch über Silber freuen. Der Abschied fällt mir schwer.“

Trotz der missglückten Olympia-Revanche - 2008 in Peking hieß es im Finale 0:3 - war der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) zwei Jahre vor der Heim-WM in Dortmund 2012 der große Gewinner in der russischen Hauptstadt. Neben Silber für die Herren, die zum dritten Mal nach 1969 (3:5 gegen Japan) und 2004 (0:3 gegen China) ein Finale verloren, holten die Damen sensationell Bronze. Das ist die beste Team-WM-Bilanz seit Kriegsende. 1997 gab es zweimal Bronze, die beiden WM-Titel der Damen resultieren aus den Jahren 1934 und 1939.

„Wir haben eine hervorragende WM gespielt. Beide Teams waren mit ihrer Leistung am Limit. Das positive Resultat bestätigt uns auch in unserem Weg, den wir bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London geplant haben„, bilanzierte DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. In zwei Jahren soll in Dortmund und London mehr als nur ein Loch in die chinesische Tischtennis-Mauer geschlagen werden. „Wir müssen dafür alle Kräfte bündeln und noch mehr trainieren“, kündigte der zukünftige Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf an.

Der frühere Doppel-Weltmeister und Prause-Assistent durfte in Moskau laut Reglement nicht auf der Bank sitzen. „Das hat mich getroffen“, gestand „Rossi“. Er verfolgte das Finale an der Bande. Es begann mit einem Paukenschlag. Ausnahmespieler Boll schlug in einem 50-Minuten-Krimi den Weltranglisten-Ersten Ma Long in fünf Sätzen. Dabei lag er bereits 0:2 zurück. Die Niederlage setzte Ma Lin kräftig unter Druck. Doch der Weltranglisten-Vierten schaffte mit einem glatten 3:0 gegen Ovtcharov den Ausgleich.

Den möglichen Sensationssieg für das DTTB-Team hatte Süß an Position drei auf dem Schläger. Der deutsche Meister konnte aber eine 1:0 und 9:6-Führung gegen Zhang Jike nicht über die Zeit retten. „Ich bin sehr niedergeschlagen. Da war mehr drin“, haderte Süß. „Da wird nicht lamentiert und es gibt auch keine Vorwürfe. Wir haben alle gekämpft“, tröstete Boll den Rotschopf. Das „Reich der Mitte“ bekam die Partie danach besser in den Griff und Ma Lin löste mit einem Vier-Satz-Sieg gegen Boll bei den 3000 chinesischen Fans unter den 8000 Besuchern großen Jubel aus.

Auf der Tribüne drückten die DTTB-Damen um Europameisterin Jiaduo Wu (Kroppach) vergeblich die Daumen. Sie hatten am Vortag durch eine 0:3-Niederlage gegen Singapur das Endspiel verpasst. Für die oft kritisierten Spielerinnen glänzte die Bronzeplakette aber wie Gold. „Diese Medaille haben wir für Deutschland, aber auch für Europa gewonnen“, sagte Damen-Bundestrainer Jörg Bitzigeio. Er konnte das „Wunder von Moskau“ noch gar nicht richtig realisieren: „Das kommt erst mit etwas Abstand und ein paar Tagen Urlaub.“

An der Seite der gebürtigen Chinesin Wu boten Kristin Silbereisen, Elke Schall und die 17-jährige WM-Debütantin Sabine Winter eine tolle Teamleistung. Sie bezwangen unter anderem Europameister Niederlande und mit Hongkong ein asiatisches Spitzenteam. China verpasste den 18. Titel durch eine unerwartete 1:3-Niederlage gegen Singapur. Trainer Bitzigeio erhielt ein Extra-Lob von DTTB-Präsident Thomas Weikert: „Das ist ein fantastisches Ergebnis und der verdiente Lohn für die sehr gute Arbeit des Trainerteams.“

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