Zanardis Comeback auf der Rennstrecke

Auf dem Kurs von Brands Hatch will der Italiener Alex Zanardi am Mittwoch Gold im Zeitfahren - mit seinem Handbike. Der beinamputierte Sportler ist einer der Stars in London, seine Comeback-Geschichte nach einem Horrorunfall beeindruckend.

London (dpa) - Früher dachte Alessandro Zanardi, er würde lieber sterben, als ohne Beine zu leben. Dann verlor er bei einem entsetzlichen Unfall auf dem Lausitzring nicht nur beide Beine, sondern auch drei Viertel seines Blutes und fast das Leben.

Auf diesen 15. September 2001 folgte eine der beeindruckendsten Comeback-Geschichten im Sport, die ihren Höhepunkt wieder auf einer Motorsportrennstrecke finden kann. Am Mittwoch geht Zanardi bei den Paralympics mit dem Handbike an den Start, er will Gold im Zeitfahren. „Ich werde meinen Gegnern ganz schön einheizen“, verkündete er in einem TV-Spot, konnte sich bei diesen Worten einen kleinen Lacher aber nicht verkneifen.

Für Zanardi geht es auf der legendären Rennstrecke Brands Hatch, die er aus seinen Zeiten im Cockpit diverser Boliden noch gut kennt, ebenso um den Sieg wie für seine neun Rivalen, darunter auch Norbert Mosandl aus der Oberpfalz. Aber der Italiener weiß auch, dass es nicht immer Medaillen sind, für die es sich zu kämpfen lohnt. „Die größte Herausforderung ist, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen“, meinte er jüngst in einem Interview. „Wenn plötzlich Leute fliegen könnten, würde sich auch ein Usain Bolt behindert fühlen.“

Dem tragischen ChampCar-Unfall vor elf Jahren, als er mit seinem Reynard-Honda ins Schleudern geriet und von Kontrahent Alex Tagliani mit 320 km/h gerammt wurde, gewinnt er sogar positive Aspekte ab. „Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich mein Leben lang goldene Träume hatte.“ Als Motorsportler hätte er es nie zu solchen Sportfesten wie Olympia oder Paralympics geschafft.

2009 fasste er den Entschluss, es auf drei Rädern zu versuchen. Ein Freund hatte ihn von dem Sport erzählt, und Zanardi probierte ihn einfach mal aus. Den ersten Versuch an der Handkurbel, die bei den Sportlern ohne Beine die Pedale ersetzt, brach er nach wenigen Minuten völlig erschöpft ab. Aber sein Interesse war geweckt, und nach vier Wochen Training wagte er sich an den New York Marathon. Zanardi wurde auf Anhieb Vierter - im vergangenen Jahr gewann er sogar.

„Mein Motto ist: Es kommt nicht darauf an, wie hoch du gestiegen oder wie tief du gefallen bist“, verriet Zanardi im Vorfeld der Behindertenspiele von London dem ZDF. „Man kann jeden Tag wieder etwas Neues erreichen.“ Der 46-Jährige lebt dies vor, von 2005 bis 2009 ging er in einem speziellen Boliden bei der Tourenwagen-WM an den Start. Im November 2006 stieg er als erster Beinamputierter in einen Formel-1-Wagen, den BMW für Testfahrten gebaut hatte. „Viele glauben, dass das Leben ohne Beine vorbei ist. Verdammt noch mal, das ist es aber nicht“, sagte Zanardi damals in Valencia.

Nun also Brands Hatch in England. Auf dem hügeligen Terrain kann der Zeitfahr-Vizeweltmeister von 2011 seine erste Medaille gewinnen. Mit bis zu 60 km/h will er sich auf dem 16 Kilometern den Traum erfüllen. „Das letzte Mal, als ich hier war, war ich etwa fünfmal so schnell“, flachst Zanardi, „aber den Kurs liebe ich dennoch.“

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