Styx: Master of Shadows

Schattenspiele: Man kommt auch über Umwege zum Ziel. Warum Ecken und Kanten dabei nicht immer euer Freund sind, kann euch dieser kleine Goblin am besten erzählen. Ein Schleichabenteuer mit Charme.

Es gibt Spiele, die fahren Achterbahn mit einem - und ich meine jetzt nicht Titel wie "Rollercoaster Tycoon" oder "Theme Park". Nein, dort draußen sind diese fiesen, kleinen Spieleperlen, die es einem nicht leicht machen, sie zu mögen. Dennoch strotzen sie vor Potenzial. Genauso ein Spielchen ist der Download-Titel "Styx: Master of Shadows" geworden. Warum dem so ist, erfahrt ihr bald.

Alter Bekannter.

Wer in den letzten zwei Jahren etwas auf dem Spielemarkt aufgepasst hat, wird vielleicht über den Titel " Of Orcs and Men" gestolpert sein - oder zumindest davon gehört haben. Aus meiner Sicht wurde das actionreiche Rollenspiel, das eine interessante neue Perspektive auf die Fantasy-Welt warf, nicht ganz meinen Erwartungen gerecht: Die Story war zwar spannend, wurde aber vom zähen Kampfsystem ausgebremst. Was mir aber in Erinnerung geblieben ist, war der kleinere der beiden Hauptcharaktere: Der agile Goblin Styx konnte Gegner hinterrücks ausschalten und war ein Meister des Schleichens. Nun bekommt die Grünhaut ihr eigenes Spiel - und zum Glück in einem anderen Genre.

Hut ab vor den Entwicklern von Cyanide, dass sie mich so überrascht haben: Als ich nämlich den Titel des Spiels entdeckte, dachte ich an einen Stand-Alone-DLC zu "Of Orcs and Men". Dass es sich jedoch um ein reines Schleich-Abenteuer handelt, verzückte mich direkt. Zudem steht es dem meuchelnden Kapuzenträger gut zu Gesicht.

Höhen und Tiefen.

Doch das anfängliche Tutorial zeigte mir ungerührt die Höhen und Tiefen des Titels auf, ohne anscheinend davon selbst Kenntnis genommen zu haben. Innerhalb der ersten zehn Minuten lerne ich beispielsweise, wie ich mich ungesehen an Wächtern vorbei schleiche, an Kanten entlang hangele oder Wände erklimme - klappt alles hervorragend und geht leicht von der Hand. In Kombination jedoch, werden meine Nerven auf eine harte Probe gestellt: So passiert es mir während der ersten Missionen immer wieder - gelegentlich auch in späteren Abschnitten - dass sich der kleine Goblin an Ritter vorbeimogelt, von Wandkreuz zu Wandkreuz unter die Decke spurtet, um beim Sprung an den rettenden Dachbalken danebenzugreifen. Tötet ihn der anschließende Fall dabei nicht, werden die aufgeschreckten Soldaten nicht so zimperlich sein. Das Problem dabei liegt schlicht in der teilweise unausgereiften Steuerung: Während ich die Wandkreuze quasi nicht verfehlen kann - linker Stick in die gewünschte Richtung und den Sprungknopf betätigen - fehlt die "Andock"-Funktion bei Kanten oder Balken. So muss ich also selbst Millimetergenau am Balken landen und den entsprechenden Halte-Knopf betätigen. Etwas umständlich und in hektischen Situationen schon mal frustrierend.

Schaue ich mir dann aber die hübsch gestalteten Missionsorte an, die jede Menge Lösungsmöglichkeiten für Schleicher und Heimlich-Killer bieten, bin ich wieder besänftigt. Denn Styx kann sein Ziel mithilfe seiner vielen Fähigkeiten auf unterschiedliche Weise erreichen - das erhöht sogar den Wiederspielwert. Auch wenn man den offenen Kampf tunlichst vermeiden soll - jeder Widersacher ist mindestens zwei Kopf größer als man selbst - dürfen unachtsame Wachen still und leise aus dem Weg geräumt werden. Wer möchte, der schleicht einfach durch die Level, ohne Schaden anzurichten und nutzt die Umgebung - insbesondere den Schatten - als hilfreiche Tarnung. Einen goldenen Mittelweg bietet die Möglichkeit, durch das Aktivieren von Fallen ganze Bereiche von Feinden freizuräumen: Beispielsweise lässt ein aufgedrehtes Ventil giftiges Gas in ein Gebiet strömen - gegen das unser Held natürlich immun ist. Eine nette Idee.

Entdecke die Möglichkeiten.

Absolvierte Aufgaben bringen Erfahrungspunkte, die sich in unterschiedliche Fähigkeiten investieren lassen. Je nach eigenem Geschmack wird so das Katzenauge - eine Sicht, die versteckte Objekte und Feinde hervorhebt - verbessert, der Umgang mit dem Dolch geschult oder sogar Tricks wie das eigene Klonen zum Ablenken ermöglicht. Wie gesagt: Das Spiel bietet jede Menge Möglichkeiten. Aber kommen wir noch einmal zu Ablenkungsmanövern: Während es auf der einen Seite ganz cool ist, dass Stühle, Vasen oder Putzeimer beim Berühren umfallen und das entstehende Geräusch Feinde anlockt, kann diese Spielmechanik aber auch schnell Frust aufkommen lassen, wenn es beim Programmieren wohl etwas zu schnell ging. Kleines Beispiel: Den dick gepanzerten Recken mit dem Breitschwert in der Hand will ich von hinten klammheimlich erledigen. Über einen Tisch gebeugt und in eine Karte vertieft, merkt er mich gar nicht kommen. Noch fünf Schritte und ich bin bei ihm. Vier schritte, drei Schritte - Klock! - Verdammt! Der Stuhl neben dem Ritter ist umgefallen, was ihn aufschrecken lässt und innerhalb von einer Minute zu meinem nächsten Bildschirmtod führt. Wenn ich euch aber nun hoch und heilig schwöre, dass ich den Stuhl aber keineswegs berührt habe - er ist mir nämlich aufgefallen - sondern etwa zwei Meter davon weg stand, als er umfiel, könnt ihr euch meine Frustration über das Kollisionssystem vorstellen.

Fazit.

Trotz dieser kleinen Unebenheiten - oder vielleicht auch gerade deswegen - erobert sich das kurzweilige Spielchen einen Platz in meiner Spielperlen-Kiste. Wer über die holzigen Charaktere, die nicht immer gelungene Steuerung und etwas lahme Story hinwegsehen kann, wird die kurzen Abstecher in die dunklen Verliese zu schätzen wissen - zumal die vielen Vorgehensweisen zum Experimentieren anregen. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass die Abenteuer des netten Fieslings Styx noch lange nicht zu Ende sind…

Matthias Probst

Genre: Strategie, Taktik, Rollenspiel

Für: PS 4, Xbox One, PC // Entwickler: Cyanide Studio // Publisher: Focus Home Interactive / Koch Media // Spieler: 1 // Online: nein // USK: Ab 16 Jahren // Internet: www.styx-thegame.com

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