Süßholzraspeln in der feinen Küche

Ob süß oder salzig, pechschwarz oder kunterbunt - Lakritze bedient viele Geschmäcker. Als Nascherei ist der Extrakt aus der Süßholzwurzel ebenso bekannt wie als Heilmittel bei Hals- und Magenschmerzen.

Sterneköche wie Juan Amador und Frank Buchholz haben Lakritze inzwischen sogar in der feinen Küche salonfähig gemacht. Sie gibt Fisch, Fleisch, Gemüse oder Desserts eine besondere Note.

Ilse Böge betreibt in Berlin ein Fachgeschäft für Lakritze. Daheim in der Küche experimentiert sie mit der schwarzen Masse. Im Gewürzregal steht viel Lakritzpulver, weil "es sich am einfachsten verarbeiten lässt." Das Pulver streut Böge zum Beispiel in einen selbst gemachten Tagliatelleteig aus Hartweizengries, Eiern und Wasser. Zu den gekochten Nudeln gibt sie eine Sahnesoße und Porreegemüse - fertig sind die "Tagliatelle alla Liquirizia".

Ihr Geschmack sollte nicht sofort zu erkennen sein, sagt Böge: "Angestrebt wird eine feine Note." Darum reicht ihr zum Kochen und Backen "normalerweise eine Tee- oder Kaffeelöffelmenge, Maximum ein Esslöffel". Diese Menge benötigt auch eine zum Risotto passende Lakritzsoße: Reine Lakritze wird bei geringer Hitze in Weißwein und Hühnerfond aufgelöst, anschließend eingedickt und mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt.

Ihre Süße verdankt die wahrscheinlich älteste Nascherei der Welt dem Wirkstoff Glycyrrhizin in der Süßholzwurzel. Die Wurzel "wird traditionell mit Wasser ausgekocht, der gewonnene Saft dann aufkonzentriert", erklärt Sonja Brentano, Produktmanagerin beim Hersteller Katjes Fassin in Emmerich (Nordrhein-Westfalen). Der pure Saft schmecke herb, bitter und süß zugleich. Weiche Lakritze schmeckt meist süß, die harte Variante würziger. Für die Salz-Note sind ein hoher Anteil von Salmiak und die Zugabe von Salz verantwortlich.

Brentano sieht klare regionale Vorlieben: "Der Lakritz-Äquator verläuft südlich von Frankfurt. Dahinter ist es "Bärendreck", der Norden dagegen ist "Lakritz-Land" - mit einer Vorliebe für salzig-scharfe Spielarten. Für deren Liebhaber sind Kombinationen mit Chili-Extrakt oder Anis im Sortiment, für Süßmäuler gibt es Schokoladen- oder Schaumzucker-Mischungen.

Beim Kochen sollte man auf reine Varianten zurückgreifen. Beimischungen könnten den Geschmack der Speisen beeinflussen, erklärt der Sternekoch Frank Buchholz aus Mainz. Er macht Tomatensalat mit fein geschnittenen Lakritzstreifen an, die er auch zu Kürbissen oder Kräuterpüree reicht. "Man kann Lakritz verarbeiten wie Trockengemüse." Als Beispiel nennt er einen deftigen, mit Lakritze gefüllten Schweinebraten. Der Koch dämpft geriebene Lakritze, brät sie aber nicht an. Denn dazu sei sie zu weich. Die Dosierung sei Geschmackssache. Scheu vor der ungewohnten Zutat hält der Küchenchef für unnötig: "Einfach experimentieren", heißt sein Rezept.

Sollte etwas auf den Magen schlagen, hilft ein anderes Süßholzprodukt: Schwarze Stangen oder Bonbons werden zu einem schwarzen Likör angesetzt. Sie lösen sich auch in Wein. Eine nicht-alkoholische Alternative ist mit Wasser zu Limonade aufgegossener Lakritzextrakt. Frank Buchholz rät zum Kauf in der Apotheke. Dort gibt es auch Süßholz, Lakritz-Extrakt, -Tee und -Elixier. Andere Bezugsquellen sind Versandhändler, Kräuterläden oder Supermärkte, die Stangen, Heringe oder Salinos pur verkaufen.

Früher wurde Lakritze als Gewürz und Heilmittel geschätzt. "Die Süßholzwurzel ist eine der am intensivsten erforschten Wirkpflanzen", erläutert der Apotheker und Lakritze-Forscher Jens Bielenberg aus Westerhorn (Schleswig-Holstein). Bis heute ist die Wurzel "offiziell in Deutschland zur Behandlung von Erkrankungen des Magens und der oberen Atemwege zugelassen." Einige Inhaltstoffe wie Salmiak gelten als schleimlösend und entzündungshemmend.

Neuere Forschungen wiesen darauf hin, dass Inhaltsstoffe möglicherweise Krebs hemmen und SARS oder Herpesviren bremsen, sagt Bielenberg: "Glycyrrhizin gehört der Gruppe der Saponine unter den sekundären Pflanzenstoffen an, denen eine solche Wirkung zugeschrieben wird", erläutert Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn.

Allerdings bringt der Genuss großer Mengen Nachteile. "Glycyrrhizin speichert Natrium und Wasser im Körper. Die Folgen können Bluthochdruck, Ödeme und Muskelschwäche sein", so die DGE. Ab einem bestimmten Grenzwert müssen Hersteller ihr Produkt deshalb mit dem Hinweis "enthält Lakritz" kennzeichnen - Fachleute sprechen von Starklakritz. Zumindest der Figur schadet der Genuss von Lakritze aber nicht: Sie enthält so gut wie kein Fett.

Monika Hillemacher, dpa

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