Theater um die Treue

TRIER. "Così fan tutte" - Mozarts dritte Da-Ponte-Oper war Thema des 74. Trierer Operncafés im Stadttheater. Die Besucher erlebten eine musikalische, literarische und therapeutische Auseinandersetzung mit der Treue.

Elend und jämmerlich sei das Sujet, belanglos der Text - die zeitgenössische Kritik an Mozarts Oper "Così fan tutte" hätte vernichtender nicht ausfallen können. Dabei hatte Mozarts Dichter Lorenzo da Ponte sich Ende des 18. Jahrhunderts nur eines Themas angenommen, das die Menschen seit jeher bewegt: Wie halt' ich es mit der Treue. Ovid beschäftigte diese Frage und auch Boccaccio in seinem "Decamerone". Nelly Stockburger kennt sich aus mit der Treue, doch mehr noch treibt sie der Bruch mit eben dieser um. Denn "mit Fremdgehen kenn ich mich aus", so die Sexualtherapeutin. An Komik mangelte es nicht beim 74. Trierer Operncafé, doch bei Nelly Stockburgers Auftritt schien sie doch eher unfreiwilliger Natur zu sein. Vom "gespaltenen Patriarchat" wusste die Alt-68erin zu berichten, und dass "Erotik irgendwie außerehelich" sei. Gegen Depressionen im Alter sei die "Hoffnung auf eine neue Verliebtheit und Erotik" ein probates Mittel, ermunterte Nelly Stockburger das Publikum. Da wähnten sich einige Opern-Freunde bereits in kollektiver Sexualtherapie. Nach Stockburgers Ausführungen eilte ein hörbar erheiterter Intendant Heinz Lukas-Kindermann zum Mikrofon und forderte die Wiedereinführung der Sittenkommission, wie es sie unter Maria Theresia schon gegeben habe. Das wiederum gefiel dem Publikum nicht, dass sich gleichwohl weniger über Kindermanns nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag als über dessen Spontaneinlagen wundern musste. Dass der Intendant zu spät, weil verschlafen, ins Operncafé geeilt war, mochte ja noch angehen. Doch für seine eiligst dazwischengeschobene Entschuldigung, den ebenso kenntnisreichen wie humorvollen Vortrag von Musikdramaturg Thomas Rath zu unterbrechen, sorgte im Publikum für einige Irritationen. Zumal es nicht der einzige ungeplante Beitrag Kindermanns bleiben sollte. Für einen wirklich gelungenen Morgen sorgten derweil die Künstler und ihr Musikdramaturg. Rath verstand es, in seinem Vortrag die Hintergründe "Così fan tuttes" spannend und unterhaltsam in Zeit und Genre einzuordnen. Er las Passagen aus Goethes "Wahlverwandtschaften", derweil Peter Singer Bittbriefe Mozarts an dessen Förderer Puchberger rezitierte. László Lukács als Don Alfonso und Evelyn Czesla als Despina überzeugten ebenso wie Peter Koppelmann, der den Ferrando gab. Am Klavier bekannt virtuos begleitet vom musikalischen Leiter Andreas Henning, bot das Ensemble einen musikalischen Vorgeschmack auf das Stück, das am kommenden Samstag am Stadttheater Premiere feiern wird. Hoffentlich sind dann die meisten Akteure wieder genesen; am Sonntag waren drei von sechs Künstlern krank.

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