Abschied von der Politbühne

In dieser Woche kommt der Bundestag zu seinen letzten regulären Beratungen der laufenden Wahlperiode zusammen. Viele Abgeordnete nehmen Abschied von der aktiven Parlamentsarbeit. Entweder scheiden sie freiwillig aus, oder die Chancen für einen Wiedereinzug in den Bundestag stehen so schlecht, dass sich eine erneute Kandidatur erübrigt.

Berlin. Bei der SPD ist der Aderlass an "alt gedienten" Polit-Profis besonders groß. Nahezu jedes vierte Fraktionsmitglied wird nicht mehr dabei sein, wenn sich der Bundestag nach der Wahl im September neu konstituiert. Dabei liest sich die Liste der Ausscheidenden wie das "Who is Who" der rot-grünen Ära unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Gleich sechs Minister aus den Regierungsjahren zwischen 1998 und 2005 treten den Rückzug an: Otto Schily (Innen), Hans Eichel (Finanzen), Walter Riester (Arbeit), Peter Struck (Verteidigung), Herta Däubler-Gmelin (Justiz) und Renate Schmidt (Familie). Hinzu kommen die amtierende Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (Gesundheit) sowie die beiden stellvertretenden Fraktionschefs Ludwig Stiegler und Walter Kolbow.

Als Fraktionschef der SPD steht Peter Struck bis zum letzten Augenblick seiner politischen Karriere auf der Kommandobrücke des Berliner Regierungsbetriebs. Auch danach will oder kann der 66-Jährige noch nicht loslassen: "Ich mache diesmal Motorrad-Wahlkampf", sagt Struck. Von seinen übrigen Ex-Ministerkollegen ist dagegen schon seit längerer Zeit kaum mehr etwas zu hören. Otto Schily, inzwischen 76, war das letzte Mal in den Schlagzeilen, als er die Auskunft über seine Nebeneinkünfte verweigerte. Walter Riester saß in den vergangenen vier Jahren im Entwicklungsausschuss, wo er sich mit der sozialen Gestaltung der Globalisierung beschäftigte. Künftig will sich der 65-Jährige ehrenamtlich für die Entwicklungsländer engagieren. Außerdem zehrt er von einem Nimbus, über den kein anderer Politiker aus der rot-grünen Ära verfügt: Die "Riester-Rente" wird positiv mit dem Namen des ehemaligen Arbeitsministers verbunden bleiben. Schon bisher verdiente sich der Politiker mit Vorträgen darüber viel Geld dazu.

In der Fraktion von CDU und CSU sind die Abschiede weniger spektakulär. Von den insgesamt 223 Abgeordneten räumen 35 das politische Feld. Prominentester Abgang ist der einstige Fraktionschef Friedrich Merz. Seine geschliffenen Reden zur Wirtschafts- und Finanzpolitik trugen dem gelernten Rechtsanwalt Respekt bei Freund und Feind ein. Die heutige Kanzlerin Angela Merkel vermochte er damit allerdings weniger zu beeindrucken. Als Merkel nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 selbst den Fraktionsvorsitz beanspruchte, wurde die politische Luft für Merz dünner. Schon Anfang 2007 hatte der Erfinder der "Bierdeckelsteuer" wissen lassen, wegen parteiinterner Differenzen nicht noch einmal für den Bundestag zu kandidieren. Dem Wirtschaftsflügel der Union geht damit die Galionsfigur verloren. Von Bernd Schmidbauer nahm die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren praktisch überhaupt keine Notiz mehr. Das war zu Regierungszeiten Helmut Kohls anders. Unter dem CDU-Kanzler hieß Schmidbauer "008", weil er in der Bonner Regierungszentrale für die Geheimdienste zuständig war. Am Ende dieser Woche kann der gebürtige Pforzheimer auf eine fast 26-jährige Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter zurückblicken. Und die Oppositions-Fraktionen? Bei der FDP scheidet Konrad Schily, der jüngere Bruder von Otto Schily, aus dem Parlament aus. Dabei hätte Konrad Schily gern weiter gemacht, aber er verlor den Kampf um einen aussichtsreichen Listenplatz. Bei den Grünen tritt der verteidigungspolitische Sprecher Winfried Nachtwei nicht noch einmal an. Prominentester Abgang in der Linksfraktion ist Lothar Bisky. Allerdings wechselt der Parteichef der Linken nur die politische Bühne. Er geht ins EU-Parlament.

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