AfD jubelt - Eurokritiker etablieren sich in Deutschland

Berlin · Erst ein gutes Jahr ist die AfD alt, und schon ist sie aus dem Parteiensystem kaum mehr wegzudenken. Vor allem freut die Eurokritiker, dass sie womöglich bald den Platz der FDP in der deutschen Politik einnehmen können.

(dpa) - Das dürfte der Durchbruch für die Alternative für Deutschland sein. Mit der Europawahl am Sonntag haben sich die Euroskeptiker der AfD fest in der deutschen Politik etabliert. Während die FDP sich möglicherweise für lange Zeit aus der öffentlichen Wahrnehmung verabschieden muss, nimmt die AfD Kurs auf die nächsten Landtagswahlen - und damit auf die Bundestagswahl 2017.

Die Stimmung bei der Wahlparty in der Berliner Friedrichstraße ist schon vor der ersten Prognose ausgelassen. Kinder kicken mit blauen Luftballons, das Bier schmeckt. Dann die ersten Zahlen: Schon beim bescheidenen Ergebnis der Union Beifallsbekundungen, bei der FDP hämisches Lachen und dann grenzenloser Jubel beim AfD-Resultat, obwohl mancher vorher noch mit mehr als 6,5 Prozent gerechnet hatte.

Wenige Sekunden später steht Parteichef Bernd Lucke auf der Bühne, wird gefeiert, „AfD, AfD“ skandieren die mehreren hundert Gäste. „Die AfD ist angetreten als neue Volkspartei“, ruft Lucke. „Manche Blumen blühen auf, und andere verwelken“, sagt er, und wieder schadenfrohes Gelächter. 14 Kinder stehen auf der Bühne, und um die und ihre Zukunft geht es, sagt Lucke. Die AfD feiert sich selbst.

Dabei lief längst nicht alles glatt für die junge Partei in den vergangenen Monaten. Beim Parteitag in Erfurt Ende März scheiterte Lucke mit dem Versuch, seine Position durch Satzungsänderungen weiter zu festigen. So unbestritten der Hamburger Wirtschaftsprofessor als Führungsfigur ist, Personalquerelen und Richtungskämpfe konnte er nicht verhindern.

Luckes Spezialität ist es, programmatisch keine allzu strengen Vorgaben zu machen. „Wir sind keine rechtspopulistische Partei“, sagt er immer wieder. Nur - so richtig aktiv hat er nicht verhindert, dass Wähler aus dieser Ecke für die AfD stimmen wollten. „Wir sind die wahren Europäer“ ruft er am Wahlabend“, fügt aber hinzu, dass die Steuerung der Sozialsysteme natürlich in deutscher Hand bleiben müsse.

Und dann gibt Lucke gleich einen Ausblick: „Wir werden nur mit denjenigen politischen Parteien zusammenarbeiten, die eine ähnliche Grundhaltung haben, kritisch gegenüber der gemeinsamen Währung, konstruktiv gegenüber der EU.“ Er erneuert die Absage an eine gemeinsame Fraktion mit Rechtsradikalen oder rechtspopulistischen Parteien, deutet aber eine Vereinbarung mit den britischen Konservativen an.

Erstmals, und das ist aus der Sicht der AfD das vielleicht wichtigste Ergebnis des Wahlabends, kann sich in Deutschland eine Partei rechts von der Union etablieren. Bei den 2014 noch anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen will die AfD in die Parlamente kommen. Das wäre dann ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Einzug in den Bundestag. 2013 wurde er nur knapp verfehlt.

Hintergrund: Die AfD und Europa

Berlin (dpa) - Die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) ist nach den Hochrechnungen ein Gewinner der Europawahl. Mit rund 6,5 Prozent kann sie auf etwa sechs Sitze im Europaparlament hoffen. Parteichef Bernd Lucke sprach am Sonntagabend gar von einer „neuen Volkspartei“. Bei der Bundestagswahl erreichte die erst im Frühjahr 2013 gegründete Partei 4,7 Prozent.

Im Europawahlkampf warb die AfD mit dem Slogan „Mut zu D EU tschland“ - ein klares Zeichen: Deutschland ist der Partei wichtig, erst dann kommt Europa. Ein Austritt aus dem Euro wird für die Krisenländer Südeuropas gefordert. Neue EU-Mitglieder soll es nicht geben, Kompetenzen sollen auf die nationale Ebene zurückverlagert werden.

Neben Parteichef Lucke auf Listenplatz eins gab der frühere Industriepräsident Hans-Olaf Henkel der Partei ein Gesicht. Eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen lehnt die AfD ab.

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