Volksfreund-Serie Untergang Römisches Reich, Teil 3 „Weit und breit kein Strauch, kein Baum mehr“: Als die Römer in Trier Unmengen an Holz verfeuerten

Trier · Klimawandel, Ressourcenverschwendung, Smog – alles Probleme, die nicht neu sind. Schon die Römer leisteten sich vor 1700 Jahren in der Moselregion einen beispiellosen Raubbau an der Natur.

 Die römischen Monumentalbauten kosteten enorme Ressourcen. Für die Beheizung des kaiserlichen Thronsaals (Foto) gab es fünf Feuerstellen, eine davon vorne in der Apsis.  Foto: TV-Archiv: David Kunz

Die römischen Monumentalbauten kosteten enorme Ressourcen. Für die Beheizung des kaiserlichen Thronsaals (Foto) gab es fünf Feuerstellen, eine davon vorne in der Apsis. Foto: TV-Archiv: David Kunz

Foto: David Kunz

Von Nachhaltigkeit keine Spur. Kaum zu glauben, aber wahr: Die alten Römer verbrauchten in Trier teilweise mehr Ressourcen als wir heute. Der Wasserverbrauch für die antike Stadt Augusta Treverorum mit ihren riesigen Thermenanlagen lag bei mehr als 25.000 Kubikmeter täglich – ein Wert, der heute nur geringfügig überschritten wird, wenn man den Industrie- und Gewerbebedarf einrechnet - allerdings bei mehr als doppelt so vielen Einwohnern. Pro Kopf verbrauchten die Römer in Trier also mehr als doppelt so viel Wasser wie wir heute, wenn man die damalige Einwohnerzahl von 40.000 zugrunde legt (heute 110.000). Allein die Barbarathermen boten 15 Becken zum Entspannen, Baden und Schwimmen – manche mit eigener Bodenheizung, die für angenehme Badetemperaturen permanent mit Holz befeuert wurden.

Beim Holzverbrauch sägten die Römer buchstäblich an dem Ast, auf dem sie saßen. Denn allein schon zum Heizen der öffentlichen Bauten, der Thermenanlagen und der zahllosen privaten Gebäude verfeuerten sie Unmengen Holz aus der Region, ohne dass sie sich an eine Wiederaufforstung machten. Daneben gab es viele weitere Bereiche mit enormem Holzbedarf, wie Lukas Clemens, Professor für Geschichte an der Universität Trier, erklärt: Produktionsstätten für Tonverarbeitung und Glas, Töpfereien und das Baugewerbe. „Beim Bauholz erkennt man, dass die Eiche und die Buche seit der mittleren Kaiserzeit drastisch zurückgehen und man dann zunehmend die Tanne als Bauholz verwendet.“ Diese Bäume aber wachsen nicht vor Ort, sondern müssen aus den Vogesen oder dem Schwarzwald eigens herbeigeflößt werden. Ein großer Aufwand, der vermuten lässt, dass die Bauleute rund ums Moseltal in der Spätantike schon keine Ressourcen mehr hatten, die man noch hätte ausschöpfen können.

Dieses Bodenprofil aus einer Grabung in Trier-Euren belegt die Erosion des darüber liegenden Hangs. Forscher folgern daraus, dass hier keine Bäume mehr standen.

Dieses Bodenprofil aus einer Grabung in Trier-Euren belegt die Erosion des darüber liegenden Hangs. Forscher folgern daraus, dass hier keine Bäume mehr standen.

Foto: Rheinisches Landesmuseum Trier, B. Kremer

Experten sprechen von regelrechten Verwüstungsprozessen, die man erst dank moderner Paläobotanik genauer erkennen kann. Dabei betrachten die Forscher unter dem Mikroskop Pollen in bestimmten datierbaren Erdschichten und erstellen daraus Pollendiagramme. Für den Moselraum zeigte sich: „Die Buchen- und Eichenpollen gehen drastisch zurück“, wie Professor Clemens erläutert. Anzeiger von Wüstungen seien etwa die Brennnessel oder Bäume, die schnell wachsen. Auch für Rodungen und die Anlage landwirtschaftlicher Flächen gebe es Anzeiger im Pollengemisch. Wann allerdings genau dieser Punkt war, an dem es sich für die Stadtbewohner nicht mehr lohnte, Holz von immer weiter entfernt aus Eifel und Hochwald zu besorgen und mühsam über Land nach Trier zu transportieren, sondern das Flößen von Tannen von weiter her lukrativer war, lässt sich nicht genau sagen.

„Wahrscheinlich war es hier im 3. Jahrhundert schon recht kahl“, sagt Korana Deppmeyer, eine der Kuratorinnen der Landesausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“, die vom 25. Juni an in drei Trierer Museen zu sehen sein wird. Anhand eines Bodenprofils aus dem Trierer Stadtteil Euren könne man sehen, wie stark Bodenmaterial von den Hängen im Tal angeschwemmt wurde und sich abgelagert hat. „Das ist ein Zeichen dafür, dass weit und breit kein Strauch, kein Baum mehr stand, der dieser Erosion entgegenwirken oder die Abtragung des Sandes verhindern konnte.“ Die Erosion habe bereits in der römischen Kaiserzeit stattgefunden, also etwa vor der Zeit, als Trier 286 n.Chr. Kaiserresidenz wurde. Mit dem Bodenprofil kann das Rheinische Landesmuseum in Trier eine aktuelle Grabung von 2020/21 präsentieren, die laut Deppmeyer ein Indiz dafür liefert, „dass man sich die Umgebung von Trier nicht so schön grün vorstellen darf wie sie heute wieder ist“.

Beim Wort Smog denken viele heute erstmal an Großstädte, die in Auto- und Industrieabgasen versinken, aber auch das hat es laut Professor Clemens im Moseltal längst gegeben – in der Spätantike. Die Trierer Talweite sei dicht besiedelt und intensivst landwirtschaftlich genutzt worden, um all die Stadtbewohner zu versorgen. Ob die Menschen die Luft als Belästigung empfunden haben, ist jedoch nicht überliefert. Dass sie mit Schadstoffen belastet war, haben Paläobotaniker bewiesen. Für die Natur in der Region war das Ende des römischen Imperiums im 5. Jahrhundert also eher Erholung als Untergang.

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