Koalition Brücken und Knackpunkte: FDP und Grüne vor schwierigen Gesprächen

Bier, Wein oder Selters - die erste Runde der Vorsondierung zwischen Grünen und FDP soll in kleinster Runde eine Vertrauensgrundlage schaffen. Es gibt Gemeinsamkeiten, die im Schlagabtausch der letzten Wochen untergegangen sind - und absehbare Streitpunkte.

Brücken und Knackpunkte: FDP und Grüne vor schwierigen Gesprächen
Foto: dpa/Gregor Fischer

Im Wahlkampf haben sich das FDP-Team um Christian Lindner und die Grünen-Doppelspitze Annalena Baerbock und Robert Habeck wenig geschenkt. Nun wollen sie - wenn möglich - gemeinsam einen Neustart der deutschen Politik auf den Weg bringen - und erst danach die Partei eines möglichen künftigen Kanzlers zu Gesprächen treffen. Wie steht es um die grün-gelben Schnittmengen?

Konsensfähig - hier erscheint eine Einigung möglich:

Bildung und junge Leute: Grüne und FDP sind gemessen am Wahlergebnis die Lieblingsparteien der jungen Erwachsenen, wobei die FDP bei den Erstwählern gar die Nase vorn hat. Das wird als Auftrag verstanden. „Die Chance zum sozialen Aufstieg hängt heute mehr denn je von der Bildung ab“, schreibt die FDP im Wahlprogramm und fordert, einen Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung zu investieren. Bund und Länder sollen sich mit den Kommunen auf einen Staatsvertrag einigen und so zusätzliche Investitionen von rund 2,5 Milliarden Euro in den Bildungssektor ermöglichen.

Die Grünen wollen Ganztagsschulen so weit ausbauen, dass dort jedes Kind einen Platz bekäme, und dabei für die Inklusion behinderter Schülerinnen und Schüler sorgen. Die Schulsozialarbeit wollen sie ausweiten.

Moderne Gesellschaft und Bürgerrechte: Wo es um Freiheitsrechte, eine neue Familienpolitik, Toleranz und die Teilhabe von Minderheiten geht, gibt es Übereinstimmungen. Die FDP hat aber auch weitreichende Pläne formuliert: „Wir fordern die Legalisierung der Eizellspende sowie die Klarstellung, dass die Embryonenspende zulässig ist.“

Die Grünen wollen unter anderem den Kampf gegen Rassismus vorantreiben: „Wir werden die unabhängige Forschung zu Postkolonialismus, Diskriminierung und Rassismus ausbauen, regelmäßig Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten erheben und wissenschaftliche Studien in Bezug auf staatliche Institutionen und Wirksamkeit von Antidiskriminierungsmaßnahmen durchführen.“

Digitalisierung: Die Corona-Krise hat Schwächen in Staat, Verwaltung und Schulen schonungslos offengelegt - eine Steilvorlage. Die FDP hat das zu einem Kernthema gemacht und fordert ein Ministerium für digitale Transformation. Auch die Grünen wollen die Digitalisierung vorantreiben, nicht zuletzt, weil digitale Lösungen einen Beitrag zur Schonung natürlicher Ressourcen liefern könnten.

Die Grauzone - Streit erscheint absehbar, kann aber vertagt werden:

Außenpolitik, Entwicklungszusammenarbeit und Bundeswehr: Der Ruf nach einer gestärkten EU ist Standard für die Spitzenpolitiker von Grünen und FDP. Milliarden für die Entwicklungszusammenarbeit stärken die Rolle Deutschlands und nützen - nebenbei gesagt - oft auch der deutschen Wirtschaft. Auch die Modernisierung der Bundeswehr scheint konsensfähig, doch steckt der Teufel in den Details. Stichwort: Bewaffnung von Drohnen, wo die Grünen auf der Bremse stehen.

Migration: Vordergründig liegen FDP und Grüne bei dem Thema nicht weit auseinander. Die Liberalen haben die Zuwanderung von Fachkräften und humanitären Verpflichtungen gegenüber Schutzbedürftigen im Programm. Aber: Flucht und Einwanderung sollen mit klaren Regeln unterschieden werden.

Die FDP will eine achtjährige Zuständigkeit des EU-Mitgliedstaates, dem ein Schutzsuchender zugeteilt wurde. „Die Rücküberstellung in den zuständigen EU-Staat muss vereinfacht werden. Hilfsleistungen sollen die Schutzsuchenden in der Regel nur im zuständigen EU-Staat erhalten.“ Mehr klare Kante forderte Lindner bei Kriminellen.

Die Grünen formulieren vorsichtiger. Wer nach sorgfältiger Prüfung hierzulande kein Aufenthaltsrecht erhält, soll „zügig wieder ausreisen“. Abschiebungen seine aber nur das letzte Mittel. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer soll es nicht mehr geben, inklusive Syrien und Afghanistan. Zudem wollen die Grünen das Wahlrecht für Ausländer, die hier leben, ausbauen.

Verkehr und Infrastruktur: Die FDP lehnt „unverhältnismäßige Verbote in der Mobilität“ ab. „Wir setzen auf Innovationen, Vernunft und Freiheit. Tempolimits, Diesel- oder Motorradfahrverbote sind weder progressiv noch nachhaltig.“ Durch eine Ausweitung des CO2-Emissionshandels könnten sich umwelt- und klimafreundliche Motoren und alternative Kraftstoffe durchsetzen. „Ein pauschales Verbot von Verbrennungsmotoren lehnen wir ab.“

Ganz anders die Grünen: „Der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Wir wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen“, schreiben sie im Wahlprogramm. Außerdem möchte die Partei ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen. Die Bahn soll ausgebaut werden, inklusive des Nachtzug-Netzes. Stillgelegte Verbindungen auf dem Land will die Ökopartei reaktivieren.

Schwierig - Hier droht ein langes Ringen:

Klimapolitik: Für die Grünen ist es das Kernthema schlechthin. Einen gemeinsamen Weg gibt es noch nicht. Lindner wirft den Grünen vor, auf Verbote und Verzicht zu setzen, wo doch neue Technologien Lösungen böten und Deutschland zum Vorbild werden könne. Die Ökopartei ihrerseits betont, ohne ordnungsrechtliche Vorgaben (auch Verbote) gehe es nicht - der Markt schaffe eben nicht zwangsläufig die besten Lösungen. Die Wirtschaft verlange ökologische Leitplanken und Planungssicherheit, argumentieren die Grünen.

Finanzpolitik und Investitionen: Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Lindner pocht auf ein Nein zu Steuererhöhungen und die Absage an eine Aufweichung der Schuldenbremse. Da Lindner selbst Finanzminister werden will, wird es auch schnell persönlich, denn auch Habeck liebäugelt mit dem Ressort. Als zweitstärkste Kraft innerhalb eines Dreierbündnisses hätten die Grünen dafür auch gute Argumente - die Frage ist, ob sie dafür an anderer Stelle zurückstecken würden. Inhaltlich wollen sie die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aufweichen, um massive Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur zu ermöglichen. Nicht nur Schulden belasteten kommende Generationen, so das Argument, sondern auch Versäumnisse bei dringend notwendigen Investitionen.

(dpa)
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