Erstes Triell Kanzlerkandidaten treten in den Offensiv-Modus

Berlin · Alles ist anders in diesem Bundestagswahlkampf: Kein Duell am Abend, sondern ein Triell zwischen drei Kanzlerkandidaten am Mittag. Die Premiere an diesem Donnerstag ließ in dem neuen Format noch viel Luft nach oben. Optisch, inhaltlich und moderatorisch.

Annalena Baerbock und Olaf Scholz zum „Politiktalk“ am Montag zusammen im Studio in Berlin.

Annalena Baerbock und Olaf Scholz zum „Politiktalk“ am Montag zusammen im Studio in Berlin.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Zwei gegen einen sagt das Bild. WDR-Moderatorin Ellen Ehni ist bei diesem live übertragenen „Europaforum“ nur mit Annalena Baerbock und Olaf Scholz im Berliner Studio, Armin Laschet aus Düsseldorf zugeschaltet. Das ist schon optisch problematisch. Sein Kopf ist größer als die der anderen, ist mehrmals mit gesenktem Haupt dabei, kommt mit Zwischenbemerkungen nicht so leicht durch, transportiert dafür jedoch die Botschaft von Modernität mit Düsseldorfer Hafen-Skyline im Hintergrund, während die beiden Konkurrenten nur die Studiokulisse zu bieten haben.

Zwei gegen eine sagt aber auch die Attacken-Bilanz. Scholz sagt nichts gegen Laschet, Laschet unterstreicht die Sicht von Vizekanzler Scholz. Aber beide widersprechen Baerbock. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern bei nahezu jedem Thema. Gleich beim ersten Punkt, dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato fährt Laschet der Grünen in die Parade: „Ich verstehe nicht warum man, wenn man Bundeskanzler werden will, so offen sagt: Ich halte mich nicht mehr an das, was die Vorgängerregierungen im Bündnis zugesagt haben - das ist ein absoluter Alleingang.“ Gerade hat Scholz die Aufwärtsbewegung bei den Verteidigungsausgaben Deutschlands beschrieben und die Möglichkeit angesprochen, dass der Anteil am Bruttosozialprodukt bei brummender Wirtschaft trotzdem sinken könne, da ist auch schon Baerbock dazwischen gegrätscht: „Das zeigt ja, wie absurd dieses Ziel ist.“ Es ist ab sofort Offensive angesagt.

Das gilt vor allem für Schwarz und Grün, die beiden Vertreter der Parteien mit den höheren Umfragewerten. Scholz ist da dezenter. Aber auch er hält sich nicht mehr zurück. „Wer den Eindruck erweckt, als ob die Aufgabe mit einem Schritt gelöst ist“, mischt sich Scholz beim Thema der nuklearen Abrüstung und der Sicherheit in Europa im Zusammenhang mit dem russischen Pipeline-Projekt ein. Dabei wendet sich direkt gegen Baerbocks Vorschlag, die amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Boden als deutschen Beitrag zur Abrüstung einzubringen und gegen ihre Behauptung bei der Pipeline stehe Deutschland alleine. Und stellt dann fest: „der erweckt einen falschen Eindruck.“ Sofort ruft Baerbock dazwischen: „Das tue ich nicht.“ Doch ruhig erklärt Scholz die Zusammenhänge der Sicherheitspolitik zum Schutz der Ukraine. Und bringt auch noch Willy Brandt und Helmut Schmidt mit ins Spiel. Auch Laschet meldet sich aus Düsseldorf und hält Baerbock vor: „Das stimmt nicht, und das wissen Sie auch!“

Schon bei den ersten Aufwärmrunden zu Beginn des gut einstündigen Triells sind die unterschiedlichen Persönlichkeiten deutlich geworden. Was sie an Europa nervt, will Ehni von den Kandidaten wissen. Als betonter Europäer hat Laschet damit hörbar Probleme, beginnt mit einem „Puuh“ und flüchtet sich in die Beschreibung jener „Mechanismen“ in denen Europa immer verantwortlich für das gemacht werde, was schief laufe, auch wenn es an den nationalen Regierungen liege - und fügt dann noch schnell „eine detailversessene Bürokratie“ hinzu. Scholz nervt, dass alles so lange dauert und skizziert den vierjährigen Anlauf für eine Gesetz zum europäischen Stabilitätsmechanismus. Baerbock sagt nur zwei Worte: „Das Einstimmigkeitsprinzip.“ Punkt. Möglicherweise ahnt sie, dass sie später erläutern kann, was sie damit meint.

Im Habitus ist Scholz der Abgeklärteste. Er verweist mit Formulierungen wie „Ich habe dafür gesorgt, dass“ auf seine Regierungserfahrung und gibt zu Protokoll, dass es „keine private Außenpolitik“ gebe, und er dies „als Kanzler nicht dulden“ werde. Laschet hat kleinere Probleme mit der Moderation (“das ist ja albern“) und dem Format und stellt wiederholt Festlegungen Baerbocks in Zweifel. Diese wiederum tut Ehni den Gefallen, sich beim Klimaschutz auch mit Verboten zu positionieren: Ab 2030 will sie keine fossilen Verbrennungsmotoren mehr zulassen, keine Ölheizungen mehr im Keller dulden und von Flügen in Deutschland „weg“ kommen, die man auch mit der Bahn machen könnte. Hier passiert ihr auch der dickste Versprecher, als sie „klare Ziele für 2020“ ankündigt, ein „für die 20er Jahre“ direkt nachschiebt.

Die Strategen werden nach der Triell-Premiere zu analysieren haben, ob das Zwei-gegen-eine-Format die Kompetenzen der einen in Frage stellt oder sie als Person vielmehr wichtiger erscheinen lässt. Und die Moderation wird für die künftigen Trielle deutlicher die Chancengleichheit gewichten müssen. Ehni widerspricht zwar an einer Stelle Baerbock deutlich, doch gegen Ende der Sendung gibt sie ihr in Minute 49 das Wort zum Klima und ihrem Konzept für die soziale ökologische Marktwirtschaft, fragt mehrmals nach, wechselt zum Thema Migration und lässt Baerbock in Minute 57 immer noch reden. Erst nach neun Minuten ist wieder einer der Männer dran. Es ist Laschet, der zusammenfassend zur Seenotrettung feststellt, „nicht erkannt“ zu haben, was Baerbock anders machen wolle.

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