Linke beschließen Wahlprogramm Robin Hood und seine Genossen

Berlin · Die Linke hat nun ihr Wahlprogramm: Sie verspricht die Verteilung von Reichtum und will Deutschland mit einer stark geschrumpften Bundeswehr verteidigen.

 Die beiden Spitzenkandidaten der Partei Die Linke, Janine Wissler und Dietmar Bartsch, halten das Wahlprogramm ihrer Partei in den Händen.

Die beiden Spitzenkandidaten der Partei Die Linke, Janine Wissler und Dietmar Bartsch, halten das Wahlprogramm ihrer Partei in den Händen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Dann doch noch auf in den Kampf. Obwohl die Linke Kampf nicht will, nicht Krieg, auch keine Auslandseinsätze deutscher Soldaten. Wenn sie ab Herbst im Bund mitregieren würde – wohinter wegen schlechter Umfragewerte ein dickes Fragezeichen steht – verspricht sie schon jetzt: Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen, Abschmelzung des Wehretats jedes Jahr um zehn Prozent, Verabschiedung vom Zwei-Prozent-Ziel der Nato, Verbot aller Rüstungsexporte aus Deutschland. Aber jetzt, bei diesem digitalen Parteitag, sollte nochmal eine Debatte ins ohnehin schon von den hohen Außentemperaturen überhitzte Haus anstehen. Eigentlich. Doch es kommt anders.

Bodo Ramelow, einziger Ministerpräsident mit Linke-Parteibuch, hat seinen Genossen trotz aller Entschlossenheit, die Welt schnell waffenfrei zu machen, dann doch zu etwas mehr Realitätssinn geraten. Man sollte zumindest darüber nachdenken, bei UN-Beschlüssen zu friedenserhaltenden Einsätzen eine Basis zu schaffen, „wo wir uns engagieren können“, sagt Ramelow noch. Ein Nato-Partner auf syrischem Boden, wo die Türkei dann gegen die Kurden vorgehe? Klares Nein. Aber über eine Beteiligung an UN-Friedenseinsätzen müsse man reden. Eine deutsche Armee zur Landesverteidigung, klar doch. Das geht. Und für Europa ein eigenes, ein europäisches Verteidigungsbündnis, wie überhaupt Europa seinen eigenen Platz in der Welt der Sicherheitspolitik haben müsse, dagegen sei ebenfalls nichts einzuwenden.

Die Angst vor Ärger muss groß sein. Anders ist kaum zu erklären, dass die Parteitagsregie hin- und hernavigiert, wann über das strittige Kapitel zur Außen- und Sicherheitspolitik beraten wird. Erst heißt es, am Sonntag, dem zweiten Tag des Wahlkonvents, dann schiebt die Linke die Abstimmung „überraschend“ auf den späten Samstagabend. Beinahe im Vorbeigehen klärt – oder manifestiert – die Linke ihre Position in einem zentralen Punkt der Außen- und Sicherheitspolitik. Wenn die Linke ihren Frieden macht, dann möglichst geräuschlos. Der Entwurf des Vorstandes geht durch.

Und dann ist da immer wieder Robin Hood. In einem Fall kommt der mittelalterliche Umverteiler, der es den Reichen nimmt und den Armen gibt, aus Thüringen, wo es wie in der Erzählung aus Nottingham Forest auch viel Wald gibt. Im anderen Fall stammt Robin Hood aus Oldenburg. Und jedes Mal schlüpft bei der Linken eine Frau in die Figur des Rächers der Entrechteten. Einmal sagt die Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow, Spitzen-Linke aus Thüringen: „Wir verteilen Reichtum.“ Später spricht es Bundestagsfraktionschefin Amira Mohamed Ali dann aus: „Wir sind die Robin-Hood-Partei.“ Mohamed Ali, die ihren Wahlkreis in Oldenburg hat, kämpft für ein Steuersystem, das kleine und mittlere Einkommen entlaste und „dafür endlich die Superreichen zur Kasse bittet“.

Linke-Vorsitzende Hennig-Wellsow hatte zum Einstieg in diesen digitalen Parteitag in den Reinbeckhallen in Berlin gesagt: Vermögende und Unternehmer würden „Verluste haben“, sollte ihre Partei ab Herbst mit an die Regierung im Bund kommen. „Die soziale Frage ist als Kern in unsere Gene geschrieben.“

Die knapp 600 Delegierten müssen in zwei Tagen digital durch 1098 Änderungsanträge. Hennig-Wellsow setzt auf einen anständigen Stil: „Ich hoffe, dass wir uns ordentlich streiten – in einem sehr kollegialen Ton.“ Die Linke kommt bei Umfragewerten von sechs bis acht Prozent nicht von der Stelle. Bis zum erklärten Ziel, „zweistellig“ bei der Bundestagswahl werden zu wollen, ist es noch viel Arbeit. Die Parteichefin ruft zur Geschlossenheit auf.

Geschlossen beschlossen: Unter anderem will die Linke das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anheben, den Mindestlohn auf 13 Euro anheben, eine Grundsicherung von 658 Euro einführen, ebenso eine solidarische Mindestrente von 1200 Euro sowie einen Min-
desturlaubsanspruch von 36 Tagen im Jahr. Und dann ist da noch „Sekt statt Selters“ – die Schaumweinsteuer soll auch abgeschafft werden.

Hennig-Wellsow erzählt über eine eigene Friedensmission. „Ich war gestern bei Oskar.“ Der Linke-Fraktionschef im Saar-Landtag, Oskar Lafontaine, liegt seit Wochen im Clinch mit dem Landesvorstand. Er hatte ja tatsächlich dazu aufgerufen, den Spitzenkandidaten der Saar-Linken für die Bundestagswahl, Thomas Lutze, nicht zu wählen. Bei „Oskar“ sei sie gewesen, „weil wir miteinander reden müssen“. Kleine Pause. „Miteinander!“

Und was hatte Susanne Hennig-Wellsow über „zwei aufregende Tage“ noch gesagt? „Wir gemeinsam rocken das. Wir schaffen das.“ Sie muss daran glauben. Sie ist die Vorsitzende.

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