Kommentar Mögliches Linksbündnis nach der Bundestagswahl? Es bleibt ein Restrisiko

Berlin · Planspiele gehen los. Was geht? Was geht nicht? Was ist möglich? Und wo ist die Grenze, an der sich die Realität dem Wunschdenken verweigert? Noch knapp drei Wochen bis zur Bundestagswahl. Und plötzlich ziehen eine Hoffnung und ein Schreckgespenst gewissermaßen in Personalunion durch die Republik.

Restrisiko: Meinung zu möglichem Linksbündnis: von SPD, Grüne und Linke
Foto: dpa/Paul Zinken

Das Land spricht wieder über ein Linksbündnis, jedenfalls über ein Bündnis links der Mitte. Was für SPD, Grüne und gerade Linke mindestens eine Option ist, erklärt die Union zum Schrecken für Deutschland. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder haben in ihrer Klamottenkiste flugs wieder rote Socken entdeckt. Wobei Laschet aufpassen muss, denn es ist nicht ausgemacht, ob er mit seiner Negativ-Kampagne gegen ein Linksbündnis tatsächlich Konservative für sich mobilisieren kann oder ob er – gerade mit Blick auf gegenwärtige Umfragewerte – die Welle für Rot-Grün nicht noch bestärkt.

Erstmals seit Jahren hat Rot-Grün im Bund wieder eine Machtoption, wird dazu aber vermutlich die Verstärkung einer dritten Partei brauchen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hätte nichts dagegen, solange er als nächster Bundeskanzler eine solche Koalition anführen würde. Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wäre sofort dabei, am liebsten in der Rolle der Regierungschefin.

Auch die Partei Die Linke ist aufgewacht. Moment mal, wir sind auch noch da! Die Linke, die zeitweise schon bedrohlich nahe an der Fünf-Prozent-Marke war, hat bei Umfragewerten von sechs bis sieben Prozent die Gelegenheit erkannt.

Flugs habe die beiden Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch und Janine Wissler jetzt, da die Werte für die SPD nach oben schnellen und die Grünen immer noch genügend Gewicht auf die Waage bringen, ein Acht-Seiten-Sofortprogramm vorgelegt, mit dem sie weniger die Republik erschrecken, sondern möglichst in eine rot-grün-rote Bundesregierung eintreten wollen.

Es ist im Wesentlichen das komprimierte Wahlprogramm: 13 Euro Mindestlohn, höhere Renten, niedrigere Steuern für geringe und mittlere Einkommen, Vermögensabgabe und Vermögenssteuer, bundesweiter Mietendeckel, Klimaschutz. Jetzt trommelt die Linke, weil sie spürt: Diese Chance kommt so schnell nicht wieder.

Scholz hat eine rot-grün-rote Koalition nicht explizit ausgeschlossen, ihr aber auch nicht das Wort geredet. Rot-Grün-Rot bleibt eine Option, auch eine, mit der Scholz (und Baerbock) den Preis bei FDP-Chef Christian Lindner für eine Ampel-Koalition in die Höhe treiben könnten.

Doch es bleibt ein Restrisiko. Denn interessant im Linke-Sofortprogramm ist vor allem, was nicht drinsteht: die Nato etwa, die die Linke durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbindung Russlands überwinden möchte, bleibt unerwähnt. SPD und Grüne werden sich gut überlegen, wieviel Risiko sie in einer Koalition im Bund eingehen können, wenn sie viertgrößte Volkswirtschaft der Erde mit all ihren internationalen Verpflichtungen regieren sollten. Die Linke bleibt damit gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik den Beweis ihrer Regierungsfähigkeit schuldig. Allein die Perspektive auf eine Mehrheit links der Mitte macht noch keine Regierung.

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