Caritasverband bietet Stadtspaziergänge in Trier an

Trier · Während der Heilig-Rock-Wallfahrt bietet der Caritasverband für die Diözese Trier Stadtspaziergänge an. Der stellvertretende Caritasdirektor Bernd Kettern zeigte am Donnerstag etwa zwanzig Mitarbeitern des Caritas-Verbandes versteckte oder vergessene Orte in der Trierer Innenstadt.

In der Palaststraße hält die Gruppe vor einem Kaufhaus an. Im Mittelalter hatten die Johanniter hier ein kleines Hospiz. Es diente als Übernachtungsmöglichkeit für Pilger und zur Versorgung von Kranken und Reisenden. Auch alltägliche Verletzungen wie Quetschungen, Prellungen und Brüche wurden hier behandelt. "Damals gab es noch keine Schmerzgels", kommentiert eine Zuhörerin lachend. "Das stimmt. Und wenn eine Salbe verwendet wurde, war das so ungewöhnlich, dass es sogar in den Akten vermerkt wurde", ergänzt Kettern.

Weiter geht es durch die Brotstraße. Wo heute ein Wäsche- und ein Brillenladen sind, war früher der Eingang zu einer Kirche. "Das Leben im Mittelalter ist mit unserem nicht zu vergleichen. Eine Sozialversicherung und alles, womit wir heute beruflich zu tun haben, gab es damals gar nicht oder nur in Anfängen", erklärt Kettern. Trotz harter Arbeit lebten viele in Armut. Und es war wirklich harte Arbeit: Die Menschen transportieren alle Arten von Waren in den sogenannten Containern des Mittelalters: In großen Holzfässern, die etwa 200 Liter fassten.

"Wir leben hier in Trier und kennen trotzdem viele Orte nicht. Wir gehen jeden Tag achtlos an vielen Stellen vorbei", sagt Kettern. Die Idee der caritativen Stadtspaziergänge ist zufällig entstanden: "Ich interessiere mich privat für Kirchen- und Stadtgeschichte. Als wir beschlossen haben, solche Spaziergänge während der Wallfahrt anzubieten, war mein Terminkalender im Winter plötzlich gut gefüllt: Ich habe mich in Büchern vergraben und eingelesen."

Geschichten hinter den Gebäuden, die man jeden Tag achtlos passiert

An verschiedenen Orten der Innenstadt erzählt Kettern Geschichten aus der Vergangenheit. So zum Beispiel von den Alexianerbrüdern, deren Kloster auf dem Gelände des heutigen Priesterseminares stand. "Sie wurden ‚Rollbrüder‘ genannt, weil sie die Toten auf Karren legten und zu den Begräbnisplätzen außerhalb der Stadt brachten. Eine harte und gefährliche Arbeit", sagt Kettern. Als das Priesterseminar im 18. Jahrhundert neu gebaut wurde, zogen die Alexianer auf das Gelände, wo heute das Mutterhaus steht. Dort kümmerten sie sich um alte Priester und nahmen sich erstmals auch geisteskranken Menschen an. Einige Meter weiter erinnert der Straßenname "Jakobsspitälchen" noch an das Jakobsspital, in dem früher die Pilger des Jakobsweges behandelt wurden. "Im Stadtarchiv gibt es noch die Rechnungsbücher dieses Spitals. Anhand der Rechnungen lässt sich der Alltag hier ganz gut nachvollziehen", sagt Kettern.

Sven Selzer aus Losheim ist begeistert von dem Spaziergang: "Es sind spannende Geschichten, die sich hinter den Gebäuden verbergen. Vor allem den Gang durch den Innenhof des Priesterseminares fand ich toll" sagt der 34-Jährige. Sabine Lunkenheimer würde gerne noch mehr erfahren: "Wir sollten noch eine Stunde weitergehen, so interessant ist es. Ich erfahre hier etwas über Orte, an denen ich täglich vorbeigehe, ohne mir Gedanken zu machen. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es in der heutigen Fußgängerzone früher ein Hospiz gab."

Auf Anfrage bietet der Caritasverband der Diözese Trier Stadtspaziergänge für Gruppen an. Informationen gibt es unter www.caritas-trier.de

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