Damit der Rat nicht endlos tagt

Trier · Die Trierer werden am 25. Mai einen neuen Stadtrat wählen. Ab diesem Tag wird sich vieles ändern müssen: Mit der Alternative für Deutschland, den Piraten, der NPD und der "Partei" treten Bewerber an, die im Fall eines Wahlerfolgs eine gewaltige Steigerung der im Rat notwendigen Zeit für Debatten bewirken würden.

Trier. Sitzungen des Stadtrats erfordern Geduld und Ausdauer. Das ist nicht nur eine politische, sondern auch eine mathematische Notwendigkeit. Jede Fraktion, jede Gruppe, jeder Einzelkämpfer repräsentiert eine Einheit, die gehört werden muss, sich äußern darf, Anträge stellen kann und natürlich mit abstimmt. Aktuell sind sechs solche Einheiten im Stadtrat vertreten: SPD, CDU, die Grünen, FWG, FDP und die Linke. Und schon jetzt sind manche Sitzungen stundenlange Monster, weil Rederunden kein Ende nehmen und jeder mal drankommen muss - manchmal mehrfach.Kommunalwahl 2014


Man stelle sich jetzt vor, im Rat sitzen keine sechs, sondern zehn politische Einheiten. Das wäre in der kommenden Legislaturperiode der Fall, wenn die Alternative für Deutschland (AfD), die Piratenpartei, die NPD und die von Redakteuren des Satiremagazins Titanic gegründete Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiativen, kurz die "Partei", die notwendigen rund 300 Unterstützungsunterschriften zusammenbringen und in der Wahl mindestens 1,79 Prozent aller abgegebenen Stimmen erhalten, denn das ist die Hürde für einen Sitz im Rat (siehe Extra). Alle vier haben erklärt, bei der Kommunalwahl in Trier anzutreten.
Für jeden Tagesordnungspunkt der Sitzungen des Stadtrats gilt eine Redezeitbegrenzung. Sie beträgt fünf Minuten pro Ratsmitglied für den ersten Redebeitrag zu einem bestimmten Thema und zwei Minuten für den zweiten und jeden weiteren Beitrag, wobei es mit zwei Meldungen pro Thema im Prinzip genug sein soll. Der Oberbürgermeister kann als Vorsitzender allerdings Ausnahmen genehmigen.
Dieser aktuelle Status quo einer Ratssitzung würde sich mit zehn statt sechs im Rat vertretenen Kräften nicht halten lassen. Niemand, weder die Ratsmitglieder noch der Stadtvorstand noch eventuelle Zuhörer, wollen Sitzungen erleben, die um 17 Uhr beginnen und bis weit nach Mitternacht dauern. Eine mögliche Reaktion des neuen Stadtrats wäre eine Erhöhung der Sitzungsfrequenz. Damit würden die zurzeit bis zu 40 Punkte umfassenden Tagesordnungen kleiner.
Eine weitere Begrenzung der Redezeit ist ebenfalls eine Alternative, rechtlich aber keine einfache Geschichte. Der Gesetzgeber hat die Regelung des Rederechts nicht allgemeingültig festgelegt, sondern den Landkreisen, Städten und Gemeinden überlassen. Dabei gilt: Die Redezeit kann beschränkt werden, um den Rat funktionsfähig zu erhalten. Sie darf nur in vernünftigen Grenzen ausgeübt und nicht missbraucht werden. Wichtig für Trier: Eine Beschränkung der Redezeit darf nicht darauf hinauslaufen, dass eine Debatte für fraktionslose Einzelkämpfer nicht mehr möglich ist. Der Gleichheitssatz muss immer beachtet werden.Meinung

Mammutsitzungen unerwünscht
Es war die richtige Entscheidung, die Sperrklausel von 3,03 Prozent zu streichen. Denn sie würde bewirken, dass eindeutig zu viele Stimmen im Nirwana verschwinden und bei der Zusammensetzung des gewählten Rats keine Rolle spielen. Wenn die Wähler in der Stadt Trier eine Rand- oder Splittergruppe in ihren Stadtrat wählen, dann müssen sowohl der Rat als auch die Stadt sich damit abfinden und lernen, mit der Lage umzugehen. Der Gesetzgeber muss auch gar nicht eingreifen, um ausufernde Mammutsitzungen und endlose Debatten zu verhindern. Das schafft der Rat selbst - mit einer aktualisierten Geschäftsordnung und vor allem mit der Einsicht, Fensterreden auf ihr Mindestmaß zu kürzen oder noch besser komplett auf sie zu verzichten. Das alte Motto "Quantitative Präsenz in der Debatte zeugt von thematischer Überlegenheit" darf sich gerne verabschieden und sollte dort landen, wo sich die kommunale Sperrklausel bereits befindet: im politischen Mülleimer. j.pistorius@volksfreund.deExtra

Das Kommunalwahlgesetz kennt keine Fünf-Prozent-Hürde, so wie sie bei der Bundestagswahl gilt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2008 die Fünf-Prozent-Hürde von Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt hat, strichen die rheinland-pfälzischen Landtagsfraktionen der SPD und FDP die Sperrklausel von 3,03 Prozent im Kommunalwahlgesetz des Landes. Für den Stadtrat Trier gilt dafür eine mathematische Hürde. 1,79 Prozent der abgegebenen Stimmen bedeuten einen Sitz im Stadtrat. Dieser Wert ergibt sich aus der Zahl der Sitze. Hat man davon 56, so wie im Fall des Stadtrats Trier, braucht man mindestens 1,79 Prozent der Stimmen, um einen Sitz im Rat zu erhalten - 100 Stimmen geteilt durch 56 Sitze ergibt 1,79. jp

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