Das große Holzfass im kalten, dunklen Keller

Ihre Viez-Assoziationen hat uns Rosi Nieder aus Herforst geschickt.

Viez. Das Erste, was mir zu dem Wort einfällt, ist ein dunkler Keller. Dort nämlich lagerte unser Viez in einem Holzfass. Meine Familie lebte auf einem kleinen Bauernhof in der Eifel. Unter unserem Haus gab es einen Keller, der nur von außen über eine schiefe Treppe zugänglich war. Dort lagerten Kartoffeln, abgestellte Gegenstände und eben dieses Viezfass, aus dem es irgendwie immer faulig roch.

Der Keller war für mich als Kind ein Platz des Grauens. Duster, nur mit einer kleinen Glühbirne beleuchtet, die einen Wackelkontakt hatte. Wenn mein Vater mich schickte, eine Flasche Viez zu holen (jeden Abend), dann reagierte ich wie alle Kinder, die ungern etwas tun. "Jaaa, gleich". Wenn ich Glück hatte, ging meine Mutter. Aber wenn ich selbst zum Zapfen in den Keller musste, dann krochen kalte Schauer über meinen Rücken. Selbst wenn die Lichtfunzel nicht flackerte, ich hatte Angst. Vor den Spinnen, die dort herumkrochen, Mäusen, die noch mehr Angst hatten als ich, dunklen Schatten und allen möglichen bösen dunklen Gestalten. Noch heute kann ich das Gefühl nachspüren, wie ich in gebückter Haltung und bibbernd im Keller stand, während die gelb-goldene Flüssigkeit in die Flasche rann. Wie ich den Zapfverschluss schloss, voller angstvoller Panik die Kellertür hinter mir schloss und ich mich zitternd beeilte, die schützende Haustür zu erreichen.

Als Zweites fällt mir zu Viez ein: kalte Äpfel in nassen Wiesen mit Herbstlaub. Irgendwann hieß es, wir holen die Äpfel. Dann mussten alle mit, Vater, Mutter, Kinder. Sämtliche Bäume, die sich in unserem Eigentum befanden, wurden abgeerntet. Vater schüttelte die Bäume und half notfalls mit einer langen Stange nach, wir sammelten das Fallobst in Körbe und Säcke. Mit kalten Fingern, in Wind und Wetter. Viele Früchte waren angefault, von Wespen befallen oder wiesen Fallspuren auf. Alles wurde mitgenommen, auch Birnen. Kleine, zum Essen ungenießbare, die man bei uns "Klootzbirre" nannte. Mit dem Traktor und vollem Obstwagen fuhr Vater dann zum Keltern.

Viez schmeckte mir damals nur, wenn er noch süß und ungegoren war. Als Jugendliche wagten wir uns dann auch an gegorenen Viez, der jedoch so manches Mal ganz anders wirkte, wie wir uns das wünschten. Viez schmeckte jedes Jahr anders. Weil die Apfelernte nach Sorten variierte, weil das Verhältnis Äpfel zu Birnen unterschiedlich war. Es gab Jahre, da zog der Viez einem fast die Schuhe aus.

Viez war unser Haustrunk. Wer keinen Viez mochte, der trank Leitungswasser. Die Männer pflegten ihre Holzfässer und waren stolz darauf, wenn "ihr" Viez in einem Jahr besonders gut schmeckte.

Vor kurzem fuhr ich auf einem Fahrradweg an unzähligen Apfel- und Birnbäumen vorbei, unter denen der Boden bedeckt war mit Fallobst. Überall sehe ich Bäume, deren Obst niemand erntet. Wirklich schade, dass die Früchte dort vergammeln...

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