Der Begabung auf der Spur

Trier · Sie sind eingebildet, eigenbrötlerisch und irgendwie nicht von dieser Welt: Hochbegabten Kindern haftet so manches negative Klischee an. „Alles Unsinn“, sagt Franzis Preckel.

Sie muss es wissen. Die Psychologin leitet die Abteilung für Hochbegabtenforschung und -förderung im Fach Psychologie an der Universität Trier. „Hochbegabung ist in jedem Fall positiv und muss gefördert werden.“

Wie viele Kinder in Deutschland hochbegabt sind, ist eine Frage der Definition.

Die meisten wissenschaftlichen Ansätze gehen von einem Anteil von etwa zwei Prozent aus. Intelligenztests hätten sich als die verlässlichste Methode herausgestellt, um bei Kindern eine intellektuelle Hochbegabung festzustellen. „Diese äußert sich aber immer anders, die Intelligenz verteilt sich unterschiedlich auf die verschiedenen Bereiche“, sagt Preckel. Zudem ließen sich Leistungsunterschiede in den Noten der Schulkinder nur zu etwa einem Viertel durch eine Hochbegabung erklären – die übrigen drei Viertel gingen zurück auf Faktoren wie Lernbereitschaft, Interesse und Selbstvertrauen.

Allerdings, sagt Preckel, sei es in jedem Fall notwendig, hochbegabte Kinder zu fördern. „Wenn beispielsweise der Unterricht in der Schule für diese Kinder nicht anspruchsvoll genug ist, langweilen sich manche schnell, sind frustriert und strengen sich nicht mehr so sehr an.“

Die Bundesländer haben reagiert und in ausgewählten Schulen besondere Klassen für Hochbegabte eingerichtet.

Die Trierer Psychologen begleiten vier rheinland-pfälzische Klassen, die am Trierer Auguste-Viktoria-Gymnasium sowie an Gymnasien in Koblenz, Mainz und Kaiserslautern eingerichtet wurden.

Sie wollen mit wissenschaftlichen Methoden herausfinden, welchen Effekt der Unterricht in gesonderten Förderklassen für die Kinder hat.

Zu diesem Zweck starteten Preckel und ihre Kollegen Langzeituntersuchungen, die erste begann bereits vor fünf Jahren.

Konkret geht es um ein Phänomen, das in der Psychologie mit der Metapher „großer Fisch im kleinen Teich“ umschrieben wird: „Wir haben beispielsweise festgestellt, dass die Selbsteinschätzung der Kinder absinken kann, wenn sie von der Grundschule in die Hochbegabtenklasse des Gymnasiums wechseln, weil sie dann von Schülern umgeben sind, die ebenfalls gute Leistungen bringen.“

Allerdings, sagt Preckel, sei dieses Phänomen mithin die bislang einzige mögliche negative Folgeerscheinung von Hochbegabtenklassen. „Positiv nachweisbar waren beispielsweise das zunehmende Interesse der Schüler, sinkende Langeweile im Unterricht, eine Weiterentwicklung der Intelligenz und eine zunehmende Leistung.“

Die Ergebnisse ihrer Grundlagenforschung nutzen Preckel und ihre Kollegen, um konkrete Angebote für Kinder und Eltern bereitzustellen: So können an der Uni Trier Intelligenztests absolviert werden. Im Bereich der Weiterbildung von Eltern und Lehrern sieht sie weiteren Handlungsbedarf. Zu diesem Zweck bietet ihre Abteilung mehrtägige Weiterbildungsseminare für Eltern an. „Manche Eltern sind verunsichert, wenn sie erfahren, dass ihr Kind hochbegabt ist. In den Seminaren sollen sie lernen, gut damit umzugehen“, sagt Preckel.

„Es wäre beispielsweise absolut falsch, das gesamte Leben der Familie nur auf die Hochbegabung des Kindes auszurichten. Das sollen die Seminare den Eltern unter anderem vermitteln.“

Auch für interessierte Lehrer stellt die Universität Seminare und Informationen zusammen und beteiligt sich beispielsweise am Projekt „Entdeckertag“, das vom rheinland-pfälzischen Bildungsministerium initiiert wurde und Grundschullehrer für mögliche Hochbegabungen ihrer Schüler sensibilisieren soll.

Kim-Björn Becker

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort