Vertraute, Berater, Gegner Der Kosmos des Kandidaten Armin Laschet

Analyse | Berlin/Düsseldorf · Seine Fernsehauftritte sind noch übersichtlich, die Sympathiewerte noch viel mehr. Und doch hat Armin Laschet nicht nur das Rennen um den CDU-Vorsitz, sondern auch um die Kanzlerkandidatur gewonnen. Mit welchem Netzwerk schafft er das? Ein Blick hinter die Kulissen.

Armin Laschet Anfang Mai bei einer Pressekonferenz im Berliner Konrad-Adenauer-Haus.

Armin Laschet Anfang Mai bei einer Pressekonferenz im Berliner Konrad-Adenauer-Haus.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Im Rennen um das Kanzleramt führt Armin Laschet zumindest beim Bekanntheitsgrad mit 90 Prozent gegenüber seinen Konkurrenten Olaf Scholz (88) und Annalena Baerbock (76). Und doch hapert es bei den Vertrauens- und Zustimmungswerten. Um das zu drehen, kommt es für ihn in den nächsten Monaten auch auf die richtigen Berater an. Wer steht an welcher Stelle für und gegen ihn?

Private Ratgeber Wie wichtig Armin Laschet die Familie ist, zeigte der Fall Van Laack. Als die Opposition die Geschäftsbeziehung von Laschets ältestem Sohn Johannes mit dem Gladbacher Unternehmer aufspießte und einen Interessenskonflikt bei der Maskenbeschaffung witterte, ging Laschet auf die SPD in ungewohnter Schärfe los. „Schäbig und unanständig“ seien die Vorwürfe. Laschet ist die Familie heilig. Hier holt er sich Rat. Bei Johannes in Stilfragen und über Social Media, bei den drei Brüdern Remo, Carsten und Patrick zur Politik. Auch seine Frau Susanne, deren Familie ihn in die Aachener CDU-Kreise einführte, ist eine wichtige Vertraute. Mit der Bergarbeitermedaille von Vater Heinz setzte er den entscheidenden Akzent im Rennen um den CDU-Vorsitz. Ein verstorbener Freund und Förderer dient ihm als moralischer Kompass: der Merkel-Vertraute Peter Hintze. In schwierigen Situationen fragt er sich oft, was Hintze wohl getan hätte.

NRW-Netzwerk Laschets wichtigste Personalentscheidung war die Rekrutierung von Nathanael Liminski, zunächst als Fraktionsgeschäftsführer, inzwischen als Chef der Staatskanzlei. Der hoch intelligente Strippenzieher organisiert still die Dienstgeschäfte. Gilt Laschet oft als chaotisch, ist Liminski der Durchgetaktete. Dass Laschet ihn mit nach Berlin nimmt, gilt als sicher. In der Hauptstadt gut vernetzt ist der langjährige DuMont-Journalist und heutige Sprecher der Landesregierung, Christian Wiermer. Auch wenn er etwa bei der Kommunikation des vermeintlichen Hackerangriffs auf die damalige Landwirtschaftsministerin Sylvia Schulze-Föcking unglücklich agierte, hielt Laschet treu an ihm fest. Ähnlich wie Liminski und Wiermer hält auch Katrin Kohl dem Chef den Rücken frei. Die Abteilungsleiterin ist für Veranstaltungen und Protokollfragen zuständig kennt ihn schon seit ihrer gemeinsamen Zeit aus der Regierung Rüttgers.

Bundes-Netzwerk Qua Amt verfügt Laschet über eine Reihe guter Verbindungskanäle in die Hauptstadt. Da sind Mark Speich, Staatssekretär für Europa und den Bund, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und NRW-Landesgruppenchef Günter Krings. Ein mächtiges Kaliber drehte seine Kanzlerkandidatur in kritischer Phase auf die Gewinnerspur: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Vertrauensvolle Gesprächspartner sind Volker Bouffier (Hessen), Thomas Strobl (Baden-Württemberg) und Christian Wulff (Niedersachsen). Ins Kabinett wirkt er mit Jens Spahn hinein. Tipps kommen vom Neusser Weggefährten Hermann Gröhe. Aus Zeiten der Pizza-Connection in Bonn haben sie Kontakte zu Grünen wie Cem Özdemir oder Katrin Göring-Eckardt. Das Schmieden von Schwarz-Gelb in NRW hat eine Achse zu Christian Lindner bei der FDP entstehen lassen. Und doch ist klar, dass er weitere Ratgeber, vor allem jüngere Persönlichkeiten, im Berliner Politikbetrieb hinzugewinnen muss.

Aspiranten In Laschets Team müsse mehr Platz für junge Köpfe sein, heißt es aus Berliner CDU-Kreisen. Mit Fraktionsvize Andreas Jung (45) aus Baden-Württemberg trat Laschet bereits zum Thema Klimaschutz auf. Häufig wird die Fraktionsvize Nadine Schön (37) aus dem Saarland genannt, die sich als Digitalpolitikerin in Berlin bewährt hat. Überhaupt fehle es an Frauen, was auch die Niedersächsin und Parteivize Silvia Breher (47) in Spiel bringt. Nicht zu vergessen Serap Güler (40), Staatssekretärin für Integration in NRW, mit der Laschet schon als Integrationsminister zusammenarbeitete. Mehr Sichtbarkeit wünschen sich viele für Mittelstandsunions-Chef Carsten Linnemann (43), der neben Merz das Wirtschaftsprofil schärfen soll. Aspiranten aus NRW gibt es allerdings (viel zu) reichlich. Der Regionalproporz dürfte dem Ost-Beauftragten Marco Wanderwitz (45) aus Sachsen in die Hände spielen. Er ist nicht nur Fürsprecher des Ostens – sondern auch Laschets.

Nachfolger Das Rennen um die Nachfolge Laschets in NRW wurde zwar offiziell auf die Zeit nach der Bundestagswahl verlegt, doch im Hintergrund gärt es. Aussichtsreichster Kandidat ist NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst. Laschet berief den früheren Generalsekretär der NRW-CDU und Chef der Mittelstandsvereinigung in sein Kabinett, um den konservativen Flügel einzubinden. Wüst hätte bereits jetzt wohl eine Mehrheit der NRW-CDU hinter sich, um Landeschef zu werden, und bringt auch das nötige Landtagsmandat mit, das in NRW Grundvoraussetzung für die Wahl des Ministerpräsidenten ist - ein Vorteil gegenüber Kommunalministerin Ina Scharrenbach, der ebenfalls Ambitionen nachgesagt werden. Auch der Name von Innenminister Herbert Reul fällt regelmäßig. Doch er hat wie Scharrenbach ebenfalls keinen Sitz im Landtag. Und: Beim Parteitag im Oktober wird die Frage von Vorsitz und Spitzenkandidatur nur schwer voneinander zu trennen sein.

Gegner Auch drei Wochen nach der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur reißen die Seitenhiebe aus München nicht ab. Jüngste Volte: CSU-Chef Markus Söder kündigte ein eigenes „Schnellboot“ der CSU neben dem „Flugzeugträger“ des gemeinsamen Wahlprogramms an. Auch CSU-General Markus Blume erspart ihm nicht, wenn er Laschet offen für das Umfragetief der Union verantwortlich macht. So wird der Ruf nach gemeinsamen Auftritten lauter. Angespannt soll auch das Verhältnis zu Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sein. Das liegt nicht nur an am unterschiedlichen Naturell von fröhlichem Rheinländer und asketischen Westfalen. Vor allem steckt dahinter die Laschet-Spahn-Teamlösung, nach der Spahn nach einem Wahlsieg als Fraktionschef gesetzt scheint. Ein Gespräch darüber mit  Brinkhaus habe es, wie es aus Laschets Umfeld heißt, nicht gegeben. Dieser revanchierte sich, indem er sich bei Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur weder intern noch öffentlich klar für Laschet aussprach.

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