Der Verbraucher, das bequeme Einkaufswesen

Trier · Noch nie konnten Verbraucher zwischen so vielen Produkten bei so vielen Anbietern wählen wie heute. Gleichzeitig fühlen sich immer mehr Käufer überfordert, selbst bei Produkten des täglichen Bedarfs. Wir haben uns angeschaut, wie König Kunde einkauft, was er einkauft und wie sich die Händler auf Trends einstellen.

 Einer der Trends beim Einkaufen ist ganz klar "Bio". Foto: P. Pleul/Archiv

Einer der Trends beim Einkaufen ist ganz klar "Bio". Foto: P. Pleul/Archiv

Die Konjunktur im aktuellen Handel präsentiert sich gut, fast die Hälfte aller Einzelhändler in der Region Trier konnte laut einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) im vergangenen Jahr ihren Umsatz steigern. Heißt: Die Kunden kaufen gern und mehr in der Region Trier ein. Heißt aber auch, dass die Händler wissen, wie sie den Bedürfnissen der Kunden entgegenkommen.

Die Trends: Für die Produkte des täglichen Bedarfs hat das Kölner Rheingold-Institut vier Mega-Trends ausgemacht: Natur, worunter Bio-Produkte, Fairer Handel und auch Regionalität fallen; Wissenschaftlichkeit, also Produkte mit einem zusätzlichen, meist gesundheitlichen Nutzen; Ästhetisierung, eine auf Luxus getrimmte Produktlinie; Tradition, also Landhausküche und Essen wie bei Muttern.

"Es gibt nicht DEN Trend, sondern so viele wie Käuferschichten", sagt Susanne Umbach, Ernährungsreferentin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Dennoch würden Discounter und Supermärkte weiterhin DIE Einkaufseinrichtungen bleiben.Dies hat laut Michael Jäckel, Trier er Uni-Präsident, Soziologie-Professor und Spezialist für Konsumforschung, damit zu tun, dass die Verbraucher bequem geworden sind. "Trotz aller Tendenz zu nachhaltigem und regionalem Konsum hat sich die Bequemlichkeit bei den Kunden durchgesetzt", sagt er. Für das beste Brot und die beste Wurst der Region nähmen die Kunden immer weniger weite Wege in Kauf. Umgekehrt hätten die Erzeuger vielfach (noch) nicht darauf reagiert und - wie in den USA - etwa in Trier eine Erzeugermarkthalle geschaffen.

Was das Stichwort "Servicewüste Deutschland" angeht, sieht Jäckel auch hier die Tücken der Bequemlichkeit: "Service kostet Geld, das viele Betriebe nicht haben", sagt Jäckel. Hier habe die Kaufkraft der Luxemburger sicher dazu beigetragen, dass in der Region Trier in Service investiert wurde. Umgekehrt sei dies auch ein Risiko: "Viele Kunden nehmen die teure Beratung vor Ort wahr, kaufen das Produkt aber - weil's so bequem ist - im Internet." Diesen Cocooning-Trend, sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen, gebe es schon länger. Er sei Schutz und Rückzug aus "einer immer unübersichtlicher werdenden Welt".

Die Verbraucher: Schon bei den jüngsten Konsumenten setzt die Arbeit von Sabine Mock an. Die Bildungsreferentin der Lokalen Agenda 21 Trier erzählt bereits Kindergartenkindern, wie sie mit dem Konsum von fair gehandelter Schokolade Einfluss auf Weltwirtschaft und Rohstoffpreise nehmen können, wie Jugendliche beim Einkauf von ökologisch und nachhaltig produzierten Textilien und mit der längeren Verwendung von Handys und Computern Einfluss auf Arbeitsbedingungen und den Abbau von seltenen Bodenschätzen üben können.

Rund 80 Einsätze in Kindergärten und Schulen absolviert sie im Jahr. Ein Aufwand, der wie ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der Marktmacht konventionell hergestellter Produkte erscheint. "Ich sehe einen Wandel im Handel", berichtet Sabine Mock. Auch wenn alles seine Zeit brauche, es bewege sich was. "Unsere Angebote sind nicht für den luftleeren Raum." Doch sie wünscht sich, dass der wirtschaftliche Erfolg nicht allein in Wachstum, sondern auch in Qualität gemessen werde. "Die Probleme übermäßigen Konsums kommen angesichts von Dumpinglöhnen und Leiharbeit inzwischen auch bei uns an", warnt die Referentin.

So gebe es immer mehr Verbraucher, die sich Gedanken über ihren Konsum machten. Bestes Beispiel: Das Repair-Café der Lokalen Agenda, das bereits zum ersten Treffen 70 Interessenten angezogen hat. Dorthin können Verbraucher ihre kaputten oder fehlerhaften Geräte und Kleidungsstücke mitbringen und von Fachleuten kostenlos reparieren lassen. "Man muss einfach nur anfangen", sagt Mock.

Die Händler: Händler wie Markus Petereit aus Bernkastel-Kues versuchen verstärkt, den Kundeninteressen entgegenzukommen. Von den rund 20 000 Produkten in seinem Edeka-Supermarkt sind zehn Prozent Bio-Lebensmittel. Tendenz steigend. Was paradox klingt: "Unser Problem ist, dass wir die Bevölkerung auf dem Land nicht mit ausreichend Bio-Ware versorgen können", sagt Petereit. Denn die Bio-Branche sei von einigen Großfachhändlern dominiert, die den traditionellen Lebensmitteleinzelhandel nicht belieferten. Dabei gebe es seit Jahren Steigerungsraten im Bio-Segment. "Ohne Bio könnte ich nicht überleben", sagt Petereit.

Und so versucht er einen weiteren Anziehungspunkt mit regionalen Produkten zu bieten. Auszeichnungen mit dem deutschen Fruchtpreis oder als Deutschlands beste Wurstbedientheke für seine rund 50 Mitarbeiter geben ihm recht. "Ich wünsche mir, dass wir noch mehr regionale Anbieter vor allem bei Butter, Milch und Käse hätten", sagt er und verweist auf Honig aus Traben-Trarbach, Eier aus der Eifel ("Die gehen von allen Eiern am besten!"), Obst von der Mosel sowie Gemüse und Blumen vom Sozialwerk des Deutschen Roten Kreuzes Bernkastel-Wittlich. "Es wird Zeit, dass wir stolz werden, unsere regionalen Produkte zu verkaufen und zu kaufen", sagt der Händler. Der Haken: Für kleinere Anbieter sei es zu teuer, in die Einhaltung der bundesweit geltenden Normen von Edeka zu investieren. Dennoch: "Die Verbraucher schauen auf Herkunft und Herstellung."

Was für Lebensmittel noch funktioniert, ist häufig für kleine Händler anderer Branchen kaum möglich. Vor allem im Modesegment, einer der Triebfedern des Handels im Oberzentrum Trier, sieht die Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier wenig Profilierungsmöglichkeiten. "Angesichts eines jährlichen Umsatzes von rund 40 Milliarden Euro gibt es viel Dynamik", sagt Handelsexpertin Stephanie Illg. Hier komme es für Mittelständler vor allem auf Gestaltung und Beratung an. Bei Niedrigpreisen könnten diese ohnehin nicht mithalten. Das mache aber eine Innenstadt in Trier oder den Mittelstädten aus. "Ohne Mode ist ein Zentrum unvorstellbar.

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