Die Angst vor der Armut im Alter
Die Wahlprogramme bergen kaum Überraschungen, denn auch dort, wo sie konkret werden, bewegen sie sich meist entlang der bekannten großen Linien. Doch haben alle Parteien auch einige ungewöhnliche Ideen parat, die wir in dieser Serie testen. Heute: die Garantierente der Grünen.
Berlin. Die Idee: Viele Menschen treibt die Angst vor Altersarmut um. Sie sind zwar schon viele Jahre versichert, verdienen aber wenig, arbeiten in Teilzeit oder müssen immer wieder Phasen der Arbeitslosigkeit überstehen. Damit diese Menschen nicht im Alter auf die staatliche Grundsicherung angewiesen sind, wollen die Grünen ein Rentensystem einführen, das allen Menschen eine eigenständige Rente gewährt, die wirksam vor Armut schützt.
Dafür sollen ihre Rentensprüche auf ein "Mindestniveau" aufgestockt werden. Diese "Garantierente" soll sich aus Steuermitteln finanzieren. Auf diese Weise müssten auch "Reiche und Gutverdienende" dafür aufkommen, heißt es im grünen Wahlprogramm.
Der Haken: Was die Grünen unter "Mindestniveau" genau verstehen, wird im Wahlprogramm verschwiegen. Die Rentenexperten der Partei legen dafür 80 Prozent eines Durchschnittsverdieners zugrunde. Das heißt, auch wer nur wenig in die Rentenkasse einzahlt, würde soviel Rente bekommen, als hätte er immer 80 Prozent des gesamtgesellschaftlichen Durchschnittsverdienstes in seiner Lohntüte gehabt. Bei einer Teilzeitbeschäftigten stellt sich deshalb die Frage, warum sie überhaupt voll arbeiten soll, wenn sie rentenrechtlich praktisch als Vollarbeitszeitkraft behandelt wird.
Der Hinweis auf die Reichen und Gutverdiener legt überdies den falschen Schluss nahe, dass die Rentenkasse bis dato nur aus Beiträgen finanziert wird. Tatsächlich fließen jedes Jahr rund 80 Milliarden aus Steuermitteln in die Rentenversicherung. Ohne dieses Geld müsste der Rentenbeitrag bei gut 27 Prozent vom Bruttoeinkommen liegen. Derzeit beträgt der Rentenbeitrag 19,9 Prozent.
Die Bewertung: Der Grundgedanke ist lobenswert, denn immer mehr Menschen sind durch ihre unsteten Erwerbsbiografien im Alter nur unzureichend abgesichert. Der Begriff der Garantierente ist jedoch eine Mogelpackung. Über eine garantierte Rentenhöhe erfährt man im grünen Wahlprogramm nämlich nichts Konkretes. Schon wegen der enormen Kosten sollte sich eine rentenrechtliche Besserstellung nur auf die wirklich Bedürftigen beziehen. Wenn zum Beispiel ein Arzt seine Ehefrau als Sprechstundenhilfe beschäftigt und nur geringfügig entlohnt, dann ist nicht einzusehen, warum der Steuerzahler für eine auskömmliche Rente der Betroffenen sorgen soll.