Die SPD sondiert vorerst nur im eigenen Bauch

Berlin · Nicht die Parteilinke in der SPD wehrt sich im Moment am heftigsten gegen eine mögliche große Koalition. Sondern die Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Hannelore Kraft.

 NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Foto: dpa

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Foto: dpa

Berlin. "Die SPD ist nicht dafür angetreten, um als Mehrheitsbeschafferin die CDU an der Regierung zu halten", heißt es in einem Beschluss des NRW-Landesvorstandes der Sozialdemokraten vom Montagabend. Und SPD-Ministerpräsidentin Kraft selbst sagte: "Es ist keine Schande, Opposition zu sein". Inzwischen zeichnet sich ab, dass der für Freitagabend einberufene SPD-Parteikonvent wegen der innerparteilichen Widerstände noch nicht über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Union entscheiden wird.
Die Parteibasis ist schwerer vom Wahlergebnis enttäuscht, als die Führung nach außen zugibt. Und sie verlangt Mitsprache. Man werde eine "breite Beteiligung der Gremien und Mitglieder an möglichen Entscheidungsprozessen sicherstellen", heißt es deshalb drohend im Beschluss der NRW-SPD. Der Vorsitzende ihrer Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, sagte gestern am Rande der konstituierenden Sitzung der Bundestagsfraktion, dass man sich "viel Zeit" nehmen müsse. Und über das Ergebnis eventueller Koalitionsverhandlungen müsse dann sowieso ein Mitgliederentscheid befinden. Er kann drei Monate dauern.
Angesichts dieser Stimmung wagt die SPD-Spitze derzeit nicht einmal eine Empfehlung für die 200 Delegierten des Parteikonvents. "Man darf die Leute nicht überfahren", heißt es. Führung fällt derzeit also aus.
Parteichef Sigmar Gabriel hat sogar die Idee entwickelt, den Konvent am Freitag zu unterbrechen, für Tage oder gar Wochen, um ihm mehr Zeit zu geben. Man wolle die Delegierten auf keinen Fall unter Druck setzen. Durch den Trick mit der Unterbrechung müssen die üblichen Einladungsfristen nicht eingehalten werden.
Dabei sind es noch nicht einmal die organisierten Flügel, die die Lage so schwierig machen. Die Linke zum Beispiel sperrt sich nicht prinzipiell gegen Gespräche mit der Union, hat allerdings harte Bedingungen dafür formuliert. Außerdem will sie eine Lockerung Richtung Rot-Rot-Grün im Jahr 2017. Ein ehemaliger Vormann der Linken, der Saarländer Heiko Maas, mahnte am Montag in der Parteivorstandssitzung sogar, man möge bedenken, was eine Totalverweigerung bedeuten könne. Nämlich Neuwahlen. Ganz ähnlich gestern Uwe Beckmeyer, Mitglied im eher konservativen Seeheimer Kreis, gegenüber unserer Zeitung. "Bloß nicht Neuwahlen", sagte er. "Dann hat Merkel die absolute Mehrheit".
Hannelore Krafts Ablehnung einer großen Koalition hat nach interner Einschätzung eher mit ihrer eigenen Lage zu tun. Bei einer großen Koalition muss sie deren Politik mittragen, auch im Bundesrat, wo sie die Politik der SPD-Länder koordiniert. Das verschlechtert daheim sofort die bisher so gute Koalitionsstimmung mit den Grünen, die im Bund dann Oppositionspartei wären. Unterstützung findet die Ministerpräsidentin bei vielen in der SPD, denen noch der Niedergang nach der ersten großen Koalition 2005 bis 2009 im Nacken sitzt. "Erst uns, jetzt der FDP - Merkel hat ihrem Koalitionspartner zweimal den Todeskuss gegeben", sagte gestern etwa der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser.
Überschattet wird die komplizierte Gemengelage noch von Personalintrigen. Die Spitzen belauern sich. Will Kraft in Wirklichkeit 2017 Kanzlerkandidatin werden? Will sie Sigmar Gabriel den Weg verbauen, der in einer großen Koalition wohl Vizekanzler werden würde - und damit klar die Nummer eins? Und was will Peer Steinbrück?
Klar ist nur, was Frank-Walter Steinmeier will. Der 57-Jährige ließ sich gestern wieder als Fraktionsvorsitzender bestätigen, mit 91 Prozent (siehe oben: Mann des Tages). Auch Thomas Oppermann, der als Innenminister gehandelt wird, wurde zunächst wieder zum Fraktionsgeschäftsführer gewählt.

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